Giuseppe Verdi Alles ist Spaß auf Erden

BONN · Manchmal scheint Geburtstagen etwas Schicksalhaftes anzuhaften. Im Falle Giuseppe Verdis ist es weniger das genaue Datum - er kam vor 200 Jahren am 10. Oktober (manche sagen auch am 9. Oktober) in dem kleinen italienischen Ort Le Roncole zur Welt -, sondern eine Besonderheit. Er wurde im selben Jahr wie sein größter Antipode Richard Wagner geboren.

 Giuseppe Verdi in einer zeitgenössischen Darstellung.

Giuseppe Verdi in einer zeitgenössischen Darstellung.

Foto: dpa

Bis heute steht Verdi sozusagen als der "kleine Bruder" des ungleichen Opern-Zwillingspaares im Schatten des übermächtigen Deutschen, nicht im Hinblick auf die Aufführungszahlen, sondern auf die Wertschätzung. Selbst in seiner italienischen Heimat kann Verdi dem Leipziger Meister nicht entkommen: Die Mailänder Scala, die wichtigste Opernbühne Italiens, eröffnete die Saison des Doppeljubiläumsjahres im vergangenen Dezember mit einer Neuinszenierung von Richard Wagners "Lohengrin".

Aber der eigentliche Grund für die unterschiedliche Wahrnehmung der Komponisten liegt natürlich tiefer. Der Popularität von Verdis Musik haftet in den Augen vieler Kritiker der Makel des Trivialen an, der Schöpfer des Mythos Gesamtkunstwerk hingegen gilt ungeachtet seiner ja nicht geringeren Popularität als Vollender und Inkarnation großer Opernkunst.

Vielleicht sind die letzten Werke beider Komponisten symptomatisch für ihre Unterschiedlichkeit. Wagner schließt den Kreis seines Schaffens mit dem für das Festspielhaus in Bayreuth komponierten Bühnenweihfestspiel "Parsifal", Verdi hingegen mit dem "Falstaff": hier stehen heiliger Held und Trunkenbold gegenüber, Wagners pseudosakrale hymnische Anrufung "Höchsten Heiles Wunder: Erlösung dem Erlöser!" dem nüchternen Verdi'schen Fazit "Tutto nel mondo è burla, l'uom è nato burlone" (Alles ist Spaß auf Erden, der Mensch als Narr geboren.) Bei Verdi geht es eben ein bisschen irdischer zu.

In den späten Jahren war Wagners Werk auf Verdis Opern dennoch nicht ohne Einfluss geblieben. Etwa in der 1867 in Paris uraufgeführten Oper "Don Carlos", die sich sehr weit von der Nummern-Oper des italienischen Belcanto eines Rossini, Bellini oder Donizetti entfernt hatte. Das Mythologische an Wagners Kunst berührte freilich auch den reifen Verdi nie. Die Annäherung blieb eine rein formale.

Menschlich hat Verdi oft Größe bewiesen und besaß eine ausgeprägte soziale Ader. Während Wagner in Bayreuth ein Haus allein für seine Kunst errichten ließ, stiftete der Italiener in Mailand mit der "Casa Verdi" ein Altenheim für Musiker, das bis heute noch in Betrieb ist; Verdi selbst, der 1901 an den Folgen eines Schlaganfalls starb, fand in der Gruft der "Casa" neben seiner zweiten Frau Giuseppina Strepponi seine letzte Ruhestätte.

Verdis Leben und Werk sind wie Wagners eng mit der Geschichte ihres Landes verbunden, wenn auch mit gänzlich anderer Gewichtung. Man verehrte Verdi als Vertreter des "Risorgimento", des Wiederauflebens der italienischen Nation gegen die österreichische Fremdherrschaft. Der Gefangenchor aus seiner 1842 an der Scala in Mailand uraufgeführten Oper "Nabucco" ist unauslöschlich zur heimlichen Nationalhymne der Italiener geworden. Und sein Name wurde zum politische Programm: V.E.R.D.I. stand für Vittorio Emanuele Re d'Italia.

Der durchschlagende Erfolg von "Nabucco" wurde der Auftakt zu einer beispiellosen Serie. Verdis Opern wurden von da an von Mailand bis Sankt Petersburg und von Paris bis Kairo aufgeführt. Er selbst nannte die Zeit, in der sich bis zur "Aida" 1871 ein Opernauftrag an den anderen reihte, seine "Galeerenjahre". Von den Früchten dieser harten Jahre profitieren Opernhäuser, Sänger und vor allem das Publikum nach wie vor.

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