Lungentag Interview mit den Ärzten Ulrich Gerigk und Martin Buchenroth

BONN · Am heutigen Samstag ist der Deutsche Lungentag mit dem Schwerpunktthema "Früherkennung von Lungenkrebs - eine Chance für das Leben". Über Möglichkeiten von Prävention, Früherkennung und Therapie sprach Ebba Hagenberg-Miliu mit den beiden Bonner Chefärzten Ulrich Gerigk und Martin Buchenroth.

Der Lungentag will über Möglichkeiten von Prävention, Früherkennung und Therapie bei Lungenkrebs informieren. Wer ist besonders gefährdet?
Martin Buchenroth: Schwerpunktmäßig natürlich die Menschen, die längere Zeit geraucht haben. Und je mehr Zigarettenpakete sie geraucht haben, desto größer ist das Risiko.

Sind Nichtraucher also fein raus?
Buchenroth: Leider nein. Es gibt Menschen, die, ohne selbst Raucher gewesen zu sein, Lungenkrebs entwickelt haben. Zum Beispiel vor 1930 geborene Frauen haben in der Regel nicht geraucht, aber waren durch ihre Männer oft über viele Jahre Passivraucherinnen. Der Trend, dass auch Frauen selbst rauchen, hat dann auf jeden Fall mit der Emanzipation zu tun. In den USA ist der Lungenkrebs sogar inzwischen schon die häufigste Todesursache bei Frauen.

Und wo geht der Trend bei den Männern hin?
Ulrich Gerigk: Seit den 1990er Jahren rauchen Männer weniger. Und seitdem geht bei ihnen auch die Sterblichkeit durch Lungenkrebs zurück. Was die Frauen also sozusagen aufgeholt haben, geht bei den Männern zurück. Früher lag das Erkrankungsverhältnis von Männern und Frauen bei 80 zu 20 Prozent, heute ist das Verhältnis etwa 70 zu 30 Prozent.

Kommen wir zu den Symptomen: Woran merkt man die Erkrankung?
Gerigk: Es gibt leider keine Frühsymptome, es gibt keine verlässliche Untersuchung zur Früherkennung wie etwa beim Darmkrebs. Wichtig ist: Der Husten, der neu auftritt oder sich in seiner Qualität verändert hat, muss nach vier Wochen unbedingt geklärt werden.

Und wenn die Symptome stark sind, ist es schon zu spät?
Gerigk: Zu spät, nein. Bei sehr starken Schmerzen an der Brustwand und bei Bluthusten ist die Krankheit dann aber leider schon in einem fortgeschrittenen Stadium.

Sprechen wir über die Therapien. Welche Chancen gibt es für Erkrankte? Was hat sich da in letzter Zeit getan?
Gerigk: Es gibt drei stabile Therapiesäulen. Einmal die Operation, dann die Chemo- und die Strahlentherapie. Man kann sagen: Je weniger ausgebreitet der Tumor ist, desto mehr kommt eine lokale Behandlung in Frage. Da steht die Operation im Vordergrund und in zweiter Linie die Bestrahlung. Wenn die Erkrankung fortgeschritten ist, wenn also Metastasen aufgetreten sind, dann sollte eine Chemotherapie oder eine Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie angewendet werden. Das ist der Standard. Und dann gibt es auch die sogenannte personalisierte Lungentherapie, die aber noch in den Anfängen steckt.

Wo wird bei dieser neuen Therapie angesetzt?
Buchenroth: Bei einer Reihe von Patienten kann man auf den Krebszellen Mutationen entdecken. Und bei bestimmten Mutationen kann man dann gezielte Therapien anwenden, die nur speziell gegen diese veränderten Krebszellen wirksam sind. In der Forschung wird daran ganz heftig weitergearbeitet. Es kann also sein, dass man in ein paar Jahren in einigen Fällen im Anfangsstadium der Erkrankung ohne die drei anderen Therapien auskommt. Um es noch einmal deutlicher zu sagen: Heilen kann man den Lungenkrebs heute nur durch eine Operation.

Ganz praktisch gefragt: Ich merke, da ist etwas mit meinem Husten. Wo gehe ich hin?
Gerigk: Auf jeden Fall zum Hausarzt. Er ist derjenige, der die Symptome zuerst wertet, der die Röntgenbilder veranlasst. Wenn da ein Schatten auf der Lunge ist, findet die weitere Diagnostik beim Lungenfacharzt statt. Schließlich wird dann in unserem Lungenkrebszentrum gemeinsam mit dem Patienten überlegt: Was ist die richtige Vorgehensweise?

Letzte Frage: Ihr Tipp, wie man den Krebs vermeidet?
Buchenroth: Nicht rauchen.

Gerigk: Und wenn zufällig eine Zigarette im Mund steckt, sie einfach mit der Schere abschneiden. Im Ernst: In der Region Bonn/Rhein-Sieg leben rund eine Million Menschen. Pro Jahr diagnostizieren wir im Lungenkrebszentrum bei 520 Patienten Lungenkrebs. Wenn wir mal diese Menschen mit 100 Prozent ansetzen, dann haben wir herausgefunden, dass gut 65 Prozent von ihnen schon in einem Stadium sind, in dem eine radikale Therapie nicht mehr möglich ist. Das unterstreicht, dass dem Symptom veränderter Husten auf jeden Fall nachgegangen werden sollte.

Zur Person

Ulrich Gerigk (Foto links) ist Facharzt für Chirurgie und Thoraxchirurgie und Chefarzt der Abteilung für Thoraxchirurgie im Malteser Krankenhaus. Der 57-Jährige leitet mit Wolfgang Schulte das Lungenzentrum Bonn/Rhein-Sieg.

Martin Buchenroth ist Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie und Gastroenterologie. Der 52-Jährige ist seit 2002 Chefarzt der Abteilung Innere Medizin 2 an den Evangelischen Kliniken Bonn, Johanniter Krankenhaus.

Deutscher Lungentag

Der Deutsche Lungentag wird jährlich von zwölf Organisationen und Fachgesellschaften getragen, die sich der Erforschung von Atemwegserkrankungen und der Behandlung entsprechender Patienten widmen. Dabei soll über die Möglichkeiten der Vorbeugung, Diagnose und Therapie aufklärt werden. Das Lungenzentrum Bonn hat seinen Sitz am Malteser Krankenhaus.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort