Bonn fehlen tausende Sozialwohnungen

BONN · Serie "Wohnen in Bonn": Ohne Unterstützung der Stadt wird die Vebowag den Bedarf nicht decken können. Wer in Bonn eine öffentlich geförderte Wohnung sucht, braucht Geduld. 3150 wohnungssuchende Haushalte mit Wohnberechtigungsschein listet die städtische Kartei derzeit auf.

Und es werden immer mehr. Nach Angaben der Stadtverwaltung geht der Anteil geförderter Wohnungen weiter zurück. Und laut ihrer Prognose fehlen bis zum Jahr 2016 rund 7500 Wohnungen. Im Zuge des gesamtstädtischen Wohnkonzepts hat sie angekündigt, bis zu 7500 neue geförderte Wohnungen zu schaffen.

Die Frage ist: Wie? Der große Hoffnungsträger ist die Vereinigte Bonner Wohnungsbau AG (Vebowag), an der die Stadt zu 93 Prozent beteiligt ist. Dass die Vebowag im großen Stil in den Sozialwohnungsbau einsteigen soll, darüber herrscht parteiübergreifend und im Stadthaus Einigkeit. Und die Vebowag betrachtet das auch als ihr Kerngeschäft. "Aber in diesem Umfang wird das für uns auf keinen Fall möglich sein", sagt der Vebowag-Aufsichtsratsvorsitzende Peter Finger (Grüne). Aus eigenen Mitteln kann die Wohnbaugesellschaft demnach pro Jahr 100 bis 120 Wohnungen bauen.

"Das können wir aus eigener Kraft leisten", bestätigt Vebowag-Vorstand Michael Kleine-Hartlage. Mehr sei nicht möglich. Neben der Option, neu zu bauen, gebe es unter anderem die Möglichkeit, Bestandsimmobilien zu kaufen. Denn es sei absehbar, dass in den kommenden Jahren wieder Immobilienbestände auf den Bonner Markt kommen, die derzeit in der Hand von Finanzinvestoren sind. Grund sei, dass die Finanzierung neu geregelt werden müsste.

Abgesehen davon, dass diese Immobilien nicht im besten Zustand seien, den voraussichtlichen Bedarf würde man in beiden Fällen nicht decken. "Am langen Ende geht es wie so oft ums Geld", sagt Kleine-Hartlage. Notwendig sei, dass die Stadt der Vebowag Grundstücke zur Verfügung stellt. Und zwar zu Bedingungen, die es dem Unternehmen ermöglichen, mit privaten Bauherren zu konkurrieren. Demnach soll sich der Preis auf rund 200 Euro pro Quadratmeter bebauter Fläche belaufen. "Die Stadt kann keine Grundstücke verschenken, aber dieser gordische Knoten muss durchschlagen werden", sagt Kleine-Hartlage.

"Letztlich sind wir gehalten, die Grundstücke zum Verkehrswert zu verkaufen", sagt dazu Stadtbaurat Werner Wingenfeld. Und verweist darauf, dass die Vebowag sowie weitere Bauträger derzeit schon tätig seien. "Diese Anstrengungen müssen wir vergrößern", sagt Wingenfeld.

"Wenn weiterer geförderter Wohnraum entstehen soll, müssen Geld und Grundstücke zur Verfügung gestellt werden. In welchem Umfang dies geschehen kann, muss der Rat entscheiden", sagt Stadtsprecherin Monika Hörig. Die Verwaltung werde das Thema bei den Haushaltsberatungen aufgreifen und mit Blick auf den finanziellen Bedarf konkretisieren.

In Bonn ist der Bedarf an geförderten Wohnungen besonders hoch. Laut Stadt liegt der Anteil der einkommensschwachen Haushalte, denen weniger als 1000 Euro im Monat zur Verfügung stehen, mit rund 16 Prozent über dem landesweiten Durchschnitt von 13,6 Prozent. Diesen Bedarf sieht auch NRW-Bauminister Harry Voigtsberger (SPD). Die Landesregierung hat deswegen angekündigt, die Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau um 50 Millionen auf 850 Euro zu erhöhen.

Stadt verkaufte eigene Wohnungen: Eine Ursache für das derzeitige Dilemma der Stadt Bonn ist die Tatsache, dass sie im Jahr 2002 alle städtischen Wohnungen verkauft hat. Für 86,5 Millionen Euro gingen 2482 Wohnungen an die "Sahle Wohnen GbR". Sahle kündigte an, rund 2200 Wohnungen behalten zu wollen und sicherte der Stadt ein kostenloses Belegungsrecht über zehn Jahre für 75 Wohnungen zu.

Nach dem Verkauf stiegen die Mieten um bis zu zwei Euro pro Quadratmeter. Der Grund war, dass Sahle die Sanierung der Wohnungen frei finanzierte. Und nicht, wie ursprünglich angekündigt, auf öffentliche Mittel zurückgriff. Das Land gab die Mittel nicht frei. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass der Stadt heute tausende Sozialwohnungen fehlen, wird der Verkauf der städtischen Wohnungen bis heute oft kritisiert.

Der Vorwurf: Dadurch habe die Stadt den Engpass bei den Sozialwohnungen selbst herbeigeführt. Die Stadt argumentiert jedoch, dass nur ein Teil des Bestandes Sozialwohnungen gewesen seien. Ein Großteil der Wohnungen seien wegen des desolaten Zustands zudem überhaupt nicht mehr vermietbar gewesen. Außerdem habe ein Gutachten ergeben, dass eine Sanierung 40 Millionen Euro gekostet hätte.

Durch den Umbau habe Sahle erst eine erhebliche Zahl neuer Belegungsrechte geschaffen. Dabei garantieren Haus- oder Wohnungseigentümer einer Stadt, dass sie zu festgeschriebenen niedrigen Miethöhen Wohnungen für bedürftige Haushalte bereithalten, und bekommen im Gegenzug einen einmaligen Betrag von der Stadt.

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