Gespräch am Wochenende mit Andreas Strauß Hören, was die Glocke geschlagen hat

Er hat wohl das höchstgelegene Spielzimmer in Beuel. Rund 200 Stufen - teilweise sehr steil und auf engstem Raum - muss Andreas Strauß erklimmen, um an sein einzigartiges Instrument zu gelangen. Mit dem Carilloneur am Glockenspiel von Sankt Josef sprach Anke Vehmeier über Turm und Technik.

 Das Carillon in der Kirche St. Josef verfügt über sieben Läute- und 55 Spielglocken.

Das Carillon in der Kirche St. Josef verfügt über sieben Läute- und 55 Spielglocken.

Foto: Max Malsch

Warum befindet sich die Spielstätte 50 Meter hoch im Turm und nicht am Fuß des Turms?

Andreas Strauß: Der Anschlag der Tasten wird über feine Edelstahl-Zugdrähte, Umlenkheben und Wellen zu den Klöppeln übertragen, die an die Innenseite der Glocken schlagen. Das macht der Carilloneur mechanisch. Wären die Tasten unten, wäre der Weg zu den Glocken viel zu lang. Das würde nicht funktionieren.

Was ist das Besondere am Carillon?

Strauß: Das Carillon ist ein bespielbares, großes Glockenspiel. Das Beueler Instrument verfügt mit fünfeinhalb Oktaven über einen sehr großen Tonumfang. Der Spieltisch eines Carillons ähnelt dem einer Orgel. Es gibt Manual- und Pedaltasten wie bei der Orgel. Allerdings sind die Abstände zwischen den einzelnen Tasten wesentlich größer. Deshalb werden sie mit der Faust gespielt. Die Pedaltasten bedienen die großen Glocken. In Deutschland gibt es nur 43 Carillons. Und das Beueler Instrument ist eine Rarität.

Was ist das Besondere am Sankt-Adelheidis-Glockenspiel im Kirchturm von Sankt Josef?

Strauß: Unser Carillon verfügt über sieben Läute- und 55 Spielglocken. Das Instrument kann auf drei Arten gespielt werden: „manuell“, das heißt mit den Fäusten über das sog. Stokkenklavier, über eine Klaviatur oder mechanisch per Lochkarten. Das ist einzigartig in Deutschland. Gebaut wurde es 1962 von der Firma Schilling aus Heidelberg.

Welche Musik kann man mit dem Carillon spielen?

Strauß: Man kann jede Musik damit spielen, allerdings müssen die Stücke für das Instrument angepasst werden. Sonst kann es passieren, dass die Glocken zu lange klingen und sich gegenseitig übertönen. In den Niederlanden und Belgien, wo das Carillon sehr verbreitet ist, gibt es auch spezielle Komponisten für das Instrument.

Wie kamen Sie zum Carillon?

Strauß: Auf einer Fahrradtour in den 80er Jahren in Holland habe ich es zum ersten Mal gehört und war begeistert. Von Jugend an habe ich Klavier gespielt und so wollte ich auch das Carillon spielen. Ich habe das Spielen dann in Holland erlernt. Ich wohnte in Würzburg, dort gab es kein Carillon, und so habe ich lange Jahre nicht gespielt.

Und dann kam Beuel...

Strauß: Ja, ich habe einen Bericht darüber gelesen, dass das Glockenspiel und das Carillon in St. Josef restauriert und eingeweiht worden sind. Das war 2010. Seither habe ich sehr große Freude an dem Instrument. Im Ländertauschverfahren konnte ich mich nach Bonn versetzen lassen.

Wie halten Sie sich fit, um die rund 200 Stufen, 50 Meter hoch in den Kirchturm zu steigen?

Strauß: Indem ich die Stufen immer wieder hochgehe.

Wann kann man das Carillon hören?

Strauß: Zwei Mal am Tag automatisch vom Band, um 11 und um 17 Uhr. Und live zu Weihnachten und beim Nikolausmarkt. Für 2017 sind zudem vier Konzerte geplant.

Haben Sie einen Traum?

Strauß: Ich wünsche mir, dass das Carillon einen digitalen Zusatz erhält. So dass die Möglichkeit besteht, gespielte Stücke zu speichern und später automatisch wiederzugeben. Allerdings soll an dem Instrument selbst nichts verändert werden. Mit Herrn Bossenbroek aus Holland haben wir bereits einen kompetenten Techniker zu dieser Frage nach Bonn holen können.

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