Annika Beck Bonner Tennisspielerin auf dem Weg ins Establishment

MÜNCHEN/BONN · Serena Williams träumte noch von ihrem dritten Weltmeistertitel in Istanbul, da hatte Annika Beck ihr Tagwerk bereits höchst erfolgreich und effizient vollbracht. Und als die junge Bonnerin beim gutbesetzten ITF-Turnier im bayrischen Ismaning schließlich als Pokalsiegerin (6:3, 7:6 gegen die Tschechin Eva Birnerova) in die Kameras strahlte, war ein außergewöhnliches Tennisjahr zu einem vortrefflichen Schluss-Punkt gekommen.

 Einser-Abitur an der Bonner Liebfrauenschule: Annika Beck. Sie steht bereits unter den Top 100 der Tennis-Weltrangliste.

Einser-Abitur an der Bonner Liebfrauenschule: Annika Beck. Sie steht bereits unter den Top 100 der Tennis-Weltrangliste.

Foto: dpa

"Ich bin einfach nur überglücklich. Es ist ein schönes Gefühl, wenn sich die harte Arbeit auszahlt", sagte die Gewinnerin, die sich langsam, aber sicher - und keineswegs mehr heimlich - heranschiebt ans Tour-Establishment.

Am letzten Oktober-Montag spuckte der Weltranglisten-Computer der Spielerinnen-Gewerkschaft WTA jedenfalls eine Hackordnung aus, die nicht nur den Weltklasse-Status einer Angelique Kerber auf Platz 5 der Bestenwertung untermauert, sondern auch schon die ersten kräftigen Lebenszeichen einer neuen deutschen Frauentennis-Generation ankündigt.

Auf Platz 86 ist die Bonnerin Beck nun die jüngste Spielerin unter den Top 100, knapp drei Wochen ist sie noch jünger als die Engländerin Laura Robson, die in diesem Jahr allerdings schon als Silbermedaillengewinnerin im olympischen Mixed-Wettbewerb an der Seite von Andy Murray für Furore sorgte. "Annika arbeitet sich sehr zielstrebig und kontinuierlich nach oben", sagt Bundestrainerin Barbara Rittner, "das passt zu ihrem Charakter. Sie ist sehr ehrgeizig und konsequent in ihrer Karriere."

Vieles hat Beck in ihrem jungen Leben schon ausprobiert, Balletttanzen, Leichtathletik, Geigenkurse, doch nichts faszinierte sie am Ende mehr als die Duelle auf einem Centre Court. "Das Interessante ist, sich durch alle diese Herausforderungen in einem Spiel durchzufighten", sagt die Teenagerin, die bei allem Engagement und Einsatz aber nicht überpowern will. "Ich erwarte keine Wunderdinge von mir. Ich habe Geduld. Und ich brauche noch Zeit, um mich wirklich im großen Tennis zu akklimatisieren."

Dabei fühlt sich die Nachwuchsspielerin, die sehr systematisch und strategisch ihre Züge auf dem Court plant, seit einigen Monaten gelöst und beschwingt am Arbeitsplatz: Denn seit sie schon mit 17 Jahren ihr Einser-Abitur an der Bonner Liebfrauenschule ablegte, ist eine komplizierte Doppelbelastung wegfallen. "Es ist fast befreiend, sich nur noch aufs Tennis konzentrieren zu können", sagt die Newcomerin, die schon jetzt zu den Spielerinnen in der Branche mit den schnellsten und wendigsten Beinen gehört.

Eine "hervorragende Einstellung" bescheinigt ihr Trainer Robert Orlik. Er ist die Aufstiegsjahre mitgegangen und weiß, dass sein Schützling gelegentlich "eher mal gebremst werden muss". Auch ihre Eltern, beide Chemieprofessoren in der früheren deutschen Hauptstadt, mussten die Tochter niemals antreiben und extra motivieren. "Der Ehrgeiz auch im Tennis kommt von mir selbst", sagt die 18-jährige, die im Frühsommer mit ihrem Juniorinnen-Sieg bei den French Open erstmals so richtig ins öffentliche Bewusstsein gerückt war. Kurze Zeit später hatte sich Beck auch in Wimbledon erstmals für ein Grand-Slam-Hauptfeld qualifiziert.

Doch noch kämpft sie sich vorwiegend auf den kleineren Bühnen des Tennis unspektakulär nach vorn. Es ist das, was die Profis seit jeher die "Ochsentour" nennen, das Reisen zu Challenger- oder ITF-Turnieren rund um den Globus. Eine Zeit, in der zunächst noch viel Geld in eine ungewisse Karriere investiert werden muss.

Der Sprung unter die Top 100 bis auf Platz 86 bedeutet da einen Quantensprung für die talentierte Bonnerin, die fürs neue Jahr jetzt schon das Ticket fürs Hauptfeld bei den Australian Open in der Tasche hat. "Ich hoffe, dass ich den Schwung dieser Saison mitnehmen kann", sagt Beck. Neben dem Münchner Turnier hatte die Teenagerin noch vier weitere Wettbewerbe der ITF-Kategorie gewonnen, auch gegen Konkurrentinnen, die schon auf der großen WTA-Tour unterwegs sind.

So krass wie im Erwachsenentennis zwischen deutschen Herren und Frauen sind auch die Unterschiede im Nachwuchs-Biotop. Mit Beck, der Ostwestfälin Dinah Pfizenmeier, der Hamburgerin Carina Witthöft, der Düsseldorferin Antonia Lottner und Anna-Lena Friedsam (Neuwied) sind gleich fünf hoffnungsvolle Spielerinnen auf dem Weg ins Profigeschäft, neben der persönlichen Klasse der Teenagerinnen auch eine schlichte Logik der intensiven, ausdauernden Arbeit von Bundestrainerin Barbara Rittner.

Vergleichbares gibt es - in jeder Hinsicht - nicht im deutschen Herrentennis. Dort streiten sich die Beteiligten lieber um ihren E-Mail-Verkehr und andere Petitessen - und nicht etwa darum, was in der Nachwuchsarbeit verbessert werden könnte.

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