Interview mit Dorothea Wand "Jemand musste der Schuldige sein"

"Hexentanz und Hexenwahn - oder was eine historische Erscheinung uns über heute verrät" heißt das Thema, über das Dorothea Wand am Samstag, 11. Januar, 9 Uhr, beim Frauenfrühstück im Breniger Pfarrheim Sankt Evergislus, Haasbachstraße 2 (Eintritt inklusive Frühstück: acht Euro), referiert.

 Vollkommen harmlos ist diese "Hexe", die zusammen mit anderen Besuchern die Walpurgisnacht im Harz feiert.

Vollkommen harmlos ist diese "Hexe", die zusammen mit anderen Besuchern die Walpurgisnacht im Harz feiert.

Foto: dpa

Frau Wand, sind Sie eine Hexe?
Dorothea Wand: Nein, ich bin katholisch. Frauen, die sich heute als Hexen bezeichnen, sind selten katholisch. Ursprünglich war das Wort "Hexe" ein Schimpfwort und beschimpfen sollen mich andere.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich intensiver mit Hexen zu beschäftigen?
Wand: Das weiß ich nicht mehr genau. Den ersten Kontakt mit Hexen hatte ich wie die meisten Menschen in den verschiedenen Märchen, die uns als Kind vorgelesen wurden. Hexen waren für mich seltsame Figuren, die ich nicht einordnen konnte. Die Faszination für die Hexenfiguren ging dann in meinem Studium weiter. Mich haben immer wieder Übergangsphasen wie beispielsweise zwischen Mittelalter und Neuzeit interessiert. Hexen sind ein ausdrucksstarkes Beispiel für die besondere Lebenswelt dieser Zeit.

Wie wurde man früher zu einer Hexe?
Wand: Das ist eine komplexe Geschichte. Zur Hexe wurde man, wenn man in dem Ruf stand, jemandem zu schaden oder jemanden gegen seinen Willen zu etwas zu zwingen und dabei Zauberkräfte anzuwenden.

Wie kann das sein? Früher gab es genauso wenig wie heute Zauberei.
Wand: Zauberei war damals ein klar definierter Begriff und umfasste die Nutzung übernatürlicher Kräfte. Die konnte man nach damaliger Auffassung durch eine Verbindung mit dem Teufel oder anderen bösen Mächten erwerben.

Welche Bedeutung hatten Hexen in der damaligen Gesellschaft?
Wand: Die Menschen früher suchten noch nicht nach einem sachlichen Grund für ein Geschehen. Man war der Überzeugung, dass jemand der Schuldige sein muss, jemand das getan hat. Brände beispielsweise oder eine Krankheit. Jemand musste für die Katastrophe verantwortlich sein. Das Denken nach dem Ursache-Wirkung-Prinzip kam erst viel später mit der Aufklärung.

Worum ging es dabei, Menschen als Hexen zu brandmarken?
Wand: Wenn es damals beispielsweise zu einer Missernte wegen eines Unwetters kam, konnten sich die Menschen das nicht erklären. Die Existenzangst war groß und das Ereignis, mit dem man nicht gerechnet hat, auf das man sich nicht vorbereitet hatte, hatte etwas Geheimes und Verborgenes. Dadurch, dass man in einer Hexe eine Schuldige für die Katastrophe hatte, wurde das Ereignis zumindest im Nachhinein erklärbar.

Gab es im Vorgebirge auch Hexen?
Wand: Das ist für das Vorgebirge eine komplizierte Geschichte, da nach einem Brand in der Bonner Kurfürstlichen Residenz, der heutigen Universität Bonn, im 18. Jahrhundert viele Dokumente vernichtet wurden und die Quellenlage sehr dürftig ist. Der Walberberger Hexenturm etwa hatte nicht viel mit Hexen zu tun. Das war ein raffinierter Marketingtrick. Man wollte damals auch das Vorgebirge in die Reisewelle der Rheinromantik einbeziehen. Und um das ein bisschen abseits gelegene Walberberg bekannter zu machen, hat man den Turm kurzerhand in "Hexenturm" umbenannt, denn Hexen waren damals wie heute faszinierend. Allerdings kam die Genehmigung, dort ein Ausflugslokal zu errichten, damals nicht zustande, weil sich direkt an dem Turm ein jüdischer Friedhof befand.

In Ihrem Vortrag, den Sie am Samstag beim Breniger Frauenfrühstück halten, gehen Sie der Frage nach, welche Spuren der Hexenglauben auch noch in der heutigen Zeit hinterlassen hat. Welche Parallelen gibt es denn?
Wand: Mobbing ist ein weit verbreitetes Phänomen in unserer heutigen Gesellschaft. Es geht nicht darum, jemanden auf einer sachlichen Ebene zu kritisieren, sondern darum, ihm bewusst zu schaden oder gar ihn zu vernichten. Mobbing am Arbeitsplatz tritt verstärkt auf, wenn es beispielsweise der Firma nicht gut geht. Die Existenzangst der Mitarbeiter oder der Vorgesetzten findet in solchen Mobbingattacken ein Ventil für diese Angst. Ein anderes Beispiel ist die Ausgrenzung von Randgruppen. Hier findet die Angst vor dem Fremden, dem Anderen oder aber die eigene Unzufriedenheit einen zum Teil extrem radikalen Ausdruck.

Zur Person

Dorothea Wand (48) hat Theologie und Kunstgeschichte studiert und arbeitet als Sekretärin an der Universität zu Köln. Darüber hinaus betreibt sie in Köln die Agentur "Stadtspaziergänge", die Rundgänge zu verschiedenen Themen durch die Domstadt anbietet.

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