Analyse der Situation der Linie Fluch und Segen der Stadtbahn 66

Bonn/Rhein-Sieg-Kreis · Wer zwischen Siegburg und der Bonner City mit der Stadtbahn fährt, kennt die zwei Gesichter der Linie 66: Im Freizeitverkehr kommt man schnell und vor allem bequem voran, im Berufsverkehr stockt's, und man ist eingepfercht wie in einer Sardinenbüchse.

Dann ist die Bahn am Limit und verkehrt ihren Segen in einen Fluch: Immer mehr Fahrgäste bedeuten auch mehr Unbequemlichkeit, mehr Unpünktlichkeit, mehr Komfortverzicht.

Ergo, es ist Zeit zu handeln. Findet auch die Stadt Bonn und will die Kapazität auf dem Siegburger „Ast“ der 66 erhöhen – ob durch den dritten Waggon an den Bahnen oder einen dichteren Takt (7,5 statt alle zehn Minuten) ist noch nicht klar. Beides wäre möglich, beides teuer. Bei der Taktverdichtung schlagen neue Fahrer, bei den Wagen das zusätzliche Material zu Buche. Daher gibt es eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Stadt, Kreis und Stadtwerken, die das untersucht.

„Unser Vorschlag wird dann auch umfassen, dass die Direktverbindung von Siegburg nach Bad Godesberg verbessert wird“, sagt Christian Smydra vom Bonner Planungsamt. Ob durch zusätzliche Fahrten der Linie 67 oder ein komplettes „Umklappen“ der Linie 66 (die dann immer bis Godesberg führe, während die 16 von Köln nach Bad Honnef führe) ist offen.

Die Nachfrage genau beobachten

Der Vorschlag soll 2017 abgestimmt sein. Denn da gibt es noch Differenzen mit den Stadtwerken Bonn (SWB). Deren Geschäftsführer Heinz-Jürgen Reining sieht eine Taktverdichtung nur dann als realisierbar an, wenn woanders der Nahverkehr reduziert werde. „Wir müssen die Nachfrage genau beobachten.“ Sein Problem: Jede zusätzliche Leistung vergrößert das Defizit der SWB, was nicht vorgesehen ist. Reining und Smydra eint, dass sie den Rat überzeugen müssten, mehr Geld bereitzustellen.

Aber was ist eine „volle Bahn“? Da haben Stadt und SWB noch Klärungsbedarf, obwohl es die Richtlinie gibt, bei einer Auslastung von 65 Prozent das Angebot zu erhöhen. Daran will sich die Stadt orientieren, die Stadtwerke würden aber auch 70 oder 80 Prozent Auslastung akzeptieren, ohne dass beim Angebot nachgelegt wird.

65 Prozent bedeuten eine recht volle Bahn

Was heißt das? Sind alle 70 Sitzplätze je Waggon besetzt, ist die Bahn zu 40 Prozent belegt. Stehen auch Leute auf den 110 Stehplätzen, sind 100 Prozent erreicht. 65 Prozent bedeuten also schon eine recht volle Bahn. „Das überschreiten wir in den Spitzenstunden schon jetzt deutlich“, so Smydra. „Und wenn man neue Fahrgäste gewinnen will, darf man sie nicht so in die Bahn pressen.“ Außerdem: Je voller die Bahn, desto länger die Haltezeit an Haltestellen.

An der Strecke selbst liegt es nicht, dass es nicht schneller voran geht: Die Kennedybrücke hat längst eine eigene ÖPNV-Spur, den störenden Linksabbieger an der Ollenhauerstraße gibt's nicht mehr, im Beueler Zentrum (Combahnstraße) hat das Tiefbauamt die Ampelschaltung verbessert, der Vorrang der Bahn läuft jetzt noch besser. Und die Haltestellen sind alle behindertengerecht.

Trotzdem wird die Linie 66 nicht schneller. Argumentiert wird mit dem Anstieg der Fahrgäste, die dann länger zum Aussteigen brauchen. Die kuriose Folge: Wären die Bahnen leerer, wären sie flotter unterwegs. Technisch ist jedenfalls nicht mehr drin, sagt Tiefbauamtsleiter Peter Esch: „Auf der Linie 66 sind wir jetzt ausoptimiert.“

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