Pferdeklinik in Weilerswist Mit dem Kran auf den OP-Tisch

WEILERSWIST · Pferde sind keine Fliegengewichte. Um sie medizinisch zu behandeln, sind spezielle Geräte erforderlich. Auf Burg Müggenhausen, die Freiherr Antonius von Boeselager gehört, ist man auf diese Patienten spezialisiert. Die ehemalige Raubritterburg in Weilerswist ist heute eine Pferdeklinik.

 Höchste Konzentration im OP-Saal: Lisa Ann Beluche (l.) bereitet den Eingriff am Hinterbein einer Fuchsstute vor. Assistentin Vanessa Dunkel geht ihr zur Hand.

Höchste Konzentration im OP-Saal: Lisa Ann Beluche (l.) bereitet den Eingriff am Hinterbein einer Fuchsstute vor. Assistentin Vanessa Dunkel geht ihr zur Hand.

Foto: Nadia Wattad

Zentimeter für Zentimeter rückt der Lastenkran, an dem kopfüber ein Pferdekörper mit Fußfesseln befestigt ist, aus dem kleinen OP-Vorbereitungsraum Richtung "Liege". Der Patient der Pferdeklinik Burg Müggenhausen bekommt jedoch durch die Narkose von der für den Betrachter brutal wirkenden Prozedur nichts mit. Die beiden Tierärzte Thomas Weinberger und Coco Gather leiten die Pferdeklinik. Die Pferdetierärztin Gather betreut unter anderem die deutsche Dressur-Nationalmannschaft sportmedizinisch.

In der Regel sind der OP-Saal und drei weitere Räume, in denen auch ambulant behandelt wird, an den dafür vorgesehenen zwei Wochentagen gut ausgelastet. An diesem Tag liegt eine Fuchsstute auf dem Operationstisch. Um sie in den großen Raum zu befördern, ist Muskelkraft erforderlich.

Alle an der Operation Beteiligten packen mit an. Die Chirurgin Lisa Ann Beluche steuert den Lastenkran, die beiden tiermedizinischen Fachangestellten Christine Rohde und Vanessa Dunkel heben behutsam den Kopf des Pferdes, der mit dem Körper langsam auf der Liege abgelegt wird.

Durchschnittlich wiegt ein Warmblutpferd um die 600 Kilogramm. Um das Gewicht gut zu verteilen, schiebt Beluche einen mit Luft gefüllten Kunststoffring unter den Pferdekörper. Damit die geöffneten Pferdeaugen während des Eingriffs nicht austrocknen, trägt die Chirurgin außerdem eine Augensalbe auf.

Die drei schieben den schweren Spezialtisch in den frisch desinfizierten OP-Saal. Rohde, die schon ihre Ausbildung an der Klinik absolviert hat, schließt die Stute routiniert mit drei Kabeln an das EKG an, das - wie es auch bei einem Eingriff an einem Menschen der Fall wäre - Herzfrequenz, Atmung und Blutdruck überwachen soll.

Ein viertes Kabel ist an der Zunge angebracht, welches die Sauerstoffsättigung misst. "Der Fuß ist Voraussetzung für die OP", stellt die aus Amerika stammende Beluche trocken fest. "Leider, dass sie einen Fuß hat", vollendet sie ironisch ihren Satz mit einem starken amerikanischen Akzent. "Leider" aus dem Grund, weil der während der OP im Weg ist.

Schließlich muss Beluche an eine entzündete Stelle oberhalb des Hufs am Hinterbein gelangen. Die OP ist notwendig, um das Pferd vom schmerzhaften Auftreten zu befreien, welches für den Besitzer durch ein "Lahmen" sichtbar wird. Das Pferd nimmt dann eine Entlastungshaltung ein und bringt mehr Gewicht auf das gesunde Hinterbein. Nach der Rasur des Beines geht es unter endoskopischer Sichtkontrolle weiter. Die Fesselbeugesehnenscheide wird punktiert und mit einer Kochsalzlösung gefüllt.

Für den Zugang des Arthroskops und den Arbeitskanal setzt Beluche zwei kleine Schnitte von etwa zwei Millimeter Länge. "Die Sicht ist sehr schlecht, ich komme von unten nicht gut dran", stellt Beluche nach einem Blick auf den Monitor, der das Operationsfeld vergrößert darstellt, fest. "Die Fasern an der Sehne zeigen die Entzündung. Normalerweise müssten sie wie Seegras aussehen. Hier sehen wir aber Verklebungen. Wir müssen von oben runter schneiden."

Eine Stunde dauert die Operation. Mit vier Stichen näht Beluche die kleine Wunde zu und verbindet das Bein. Bis es zu einem solchen Eingriff kommt, hat jedes Pferd in der Regel eine längere Leidensgeschichte hinter sich. "Die meisten Pferde sind vorbehandelt. Diese Stute war schon öfter hier. Sie hat mehrere Probleme."

Nach der Prozedur wird das Pferd wieder mit Hilfe des Krans in die Aufwachbox befördert. Die ist abgedunkelt und an den Wänden gepolstert. Der Boden ist ebenfalls gedämmt, darf aber nicht zu weich sein, damit das Pferd, wenn es aus der Narkose erwacht, einen sicheren Stand hat. Die Aufwachphase, die 30 bis 40 Minuten dauern kann, ist immer kritisch. Pferde sind Fluchttiere und versuchen, sobald die Narkose nachlässt, aufzustehen.

Da sie aber noch nicht sofort "voll da" sind, fallen sie oftmals wieder hin und könnten sich - im schlimmsten Fall - Brüche zuziehen. Die Polsterung soll Schlimmeres vermeiden. Beluche ist mit Leib und Seele Chirurgin und unterstützt die Pferdeklinik in Weilerswist seit nunmehr rund zwei Monaten. "Die Chirurgie liegt mir am meisten. Ich genieße die Mischung aus Handwerk, intellektueller Förderung und die Verbindung zum Pferd", sagt die Ärztin, die vorher in der Pferdeklinik am Kottenforst gearbeitet hat. "Und es ist ein Action-Job, das gefällt mir."

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