Kölner Sommerfestival "Traces" als furioser Abschluss

Köln · Was bleibt von einem Menschen, wenn er geht? Wie - und durch was - erinnert man sich an ihn? Er hatte einen Namen, wurde da und da geboren, er war so und so groß, wog so und soviel Kilo, war freundlich, nachtragend oder romantisch.

 Endzeitstimmung in der Turnhalle: Die kanadische Compagnie "Les 7 Doigts de la Main" bei der Probe zu "Traces".

Endzeitstimmung in der Turnhalle: Die kanadische Compagnie "Les 7 Doigts de la Main" bei der Probe zu "Traces".

Foto: Hanano

Aber reicht all das, um Spuren zu hinterlassen? "Traces" (Spuren), der vierte und letzte Programmpunkt des Sommerfestivals in der Philharmonie, ist ein Stück, das zutiefst philosophisch ist. Und trotzdem so leicht und sorglos daher kommt wie ein Sommernachmittag, an dessen Ende die Kinder beim Spielen feststellen, dass es dunkel geworden ist. Zeit, um nach Hause zu gehen. Wenn man denn ein Zuhause hat.

Bei der Premiere in der Philharmonie reißt diese Mischung aus Tiefgründigkeit und Freude am (virtuos gestalteten) Spiel die Menschen zu nicht enden wollenden Begeisterungsstürmen hin. Nach 90 Minuten (ohne Pause) bebt der Saal und so manch' einer brüllt sich bei dem Versuch, dieses beeindruckende Erlebnis gebührend zu würdigen, regelrecht heiser.

"Traces", das sind sechs Männer und eine Frau, die alles können, was man selbst schon immer können wollte: Klavier spielen, Salti schlagen und so artistisch tanzen, dass sich Knochen, Fasern und Muskeln des Körpers in eine gespannte Sehne verwandeln, die zielsicher mitten ins Herz trifft.

Sie können klettern wie die Eichhörnchen, skaten wie die Weltmeister und lassen, mit ihren Drehungen, Flügen und Sprüngen so manchen Parkour-Profi oder alten HipHop-Hasen verdammt blass aussehen. Die Kulisse - umrandet von zerrissenen Laken, Fetzen aus Stoff und zerschlissenen Tüchern - mit ihrer Möblierung wie vom Sperrmüll suggeriert Endzeitstimmung.

Hier sind welche an einem Ort angekommen, den sie freiwillig nie aufgesucht hätten. Trotzdem wird dort geliebt, gefrotzelt und getändelt, bleibt Zeit für Ballspiele, Liedvorträge mit Gitarre oder Lektüre - wobei die so dynamisch gerät, dass man gerne wüsste, welches Buch sich die bezaubernde Valérie Benoit-Charbonneau zu Gemüte führt.

Mit Musik von Debussy, Lennon und Radiohead springen die Performer der kanadischen Compagnie "Les 7 Doigts de la Main" (Die sieben Finger der Hand) zirkusreif durch Ringe, katapultieren sich via Wippe in die Luft, vollführen akrobatische Höchstleistungen auf einem Turm aus Stühlen. "Traces" ist energiegeladen, atemberaubend und so temporeich, dass anderthalb Stunden wie im Zeitraffer vergehen.

Die eingangs von einer Stimme aus dem Off verkündete Warnung - "Es kann jederzeit etwas Schreckliches passieren" - bewahrheitet sich nicht nur fürs Publikum, das sich plötzlich auf einer Video-Leinwand beim Betreten der Philharmonie bespitzelt sieht. Auch die glorreichen Sieben befinden sich in akuter Gefahr. Die Spuren, die ein jeder von ihnen hinterlassen hat, werden nach einem Punktesystem bewertet. Und die Jury, die das tut, kennt keine Gnade.

Am Donnerstag und am Freitag, 20 Uhr, 10.8., 15, 20 Uhr, 11.8., 15, 19 Uhr, Philharmonie. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Geschäftsstellen. Mehr Infos: www.koelnersommerfestival.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort