Politiker werben für Leitungswasser Mineralbrunnen-Betreiber kritisieren Umweltministerin

KREIS AHRWEILER · Der Aufruf von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), Leitungswasser zu trinken, stößt bei den im Kreis Ahrweiler ansässigen Mineralwasserbrunnen auf erhebliche Kritik. Schulze erntet aber auch ausdrückliche Unterstützung - bei den Remagener Grünen.

 Apollinaris auf dem Fließband. Die Mineralbrunnen gehören zu den großen Arbeitgebern im Kreis Ahrweiler.

Apollinaris auf dem Fließband. Die Mineralbrunnen gehören zu den großen Arbeitgebern im Kreis Ahrweiler.

Foto: Martin Gausmann

Bundesumweltministerin Svenja Schulze ruft für mehr Umwelt- und Klimaschutz dazu auf, Leitungswasser zu trinken. Das Wasser aus dem Hahn in Deutschland sei „einwandfrei“, sagte die SPD-Politikerin in Berlin vor wenigen Tagen. Wer Leitungswasser trinke, spare Geld, Energie und unnötige Verpackungen.

Auf diesen Zug sind auch die Remagener Grünen aufgesprungen und wollen massiv für den Genuss von Leitungswasser werben. In Remagen kommt dieses aus der Wahnbachtalsperre. „Als erste Talsperre in Deutschland wurde dort schon in den 1950er Jahren jegliche Nitratverschmutzung des Wassers per Vertrag mit den Bauern im Wassereinzugsgebiet ausgeschlossen. Mit gutem Gewissen können die Menschen zwischen Bonn und Remagen seitdem das Wasser aus der Leitung selbst Kleinkindern zum Trinken geben, lange bevor die strengen EU-Normen diesbezüglich verabschiedet wurden.“ Das sagen die Grünen Stefani Jürries und Frank Bliss in Remagen.

Positionen, die bei den im Kreis Ahrweiler ansässigen Mineralwasserbrunnen nicht unbedingt auf Gegenliebe stoßen. Grund für Karl Tack von Rhodius im Brohltal, in seiner Funktion als Vorsitzender des Verbandes Deutscher Mineralbrunnen, die Vertreter der Brunnen im Gebiet Rhein-Eifel in Bad Neuenahr an einen Tisch zu holen. Dabei präsentierte er die gemeinsam von der Genossenschaft Deutscher Brunnen, Bundesverband Getränkegroßhandel, Hotel- und Gaststättenverband sowie Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten entwickelte Position „Ja zum Naturprodukt Mineralwasser“.

Dabei griff Tack die vieldiskutierte Vermüllung der Weltmeere durch Plastik auf und unterstrich, dass die deutschen Mineralbrunnen mit ihren Produkten und Verpackungen daran keinen Anteil hätten. Tack: „Die Vermüllung der Weltmeere ist ein real existierendes und dringend zu lösendes Problem. Die im Rahmen der Kampagne 'Nein zur Wegwerfgesellschaft' von Bundesumweltministerin Svenja Schulze geäußerte Empfehlung, vermehrt Leitungswasser statt in Flaschen abgefülltes Wasser zu konsumieren, geht jedoch völlig am Ziel vorbei.“

Mineralbrunnen zum Umweltschutz

Deutschland verfüge über ein weltweit vorbildliches Rücknahme- und Recyclingsystem für Getränkeverpackungen, wodurch die heimischen Mineralbrunnen bereits seit Langem einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz leisteten. Als „populistische Forderung“ wertet Frauke Helf, Geschäftsführende Gesellschafterin von Rhodius, die jüngsten Äußerungen aus Berlin und besonders aus dem benachbarten Remagen. „Es ist eben aktuell hipp, Leitungswasser zu trinken.“

Gemeinsam mit David Schilling vom Brohler Mineralbrunnen unterstrich sie vor dem Gast der Versammlung, der CDU-Bundestagsabgeordneten Mechthild Heil, die Bedeutung der Brunnen im Kreis Ahrweiler für die heimische Wirtschaft. „Rund 1000 Menschen arbeiten in unseren Betrieben im Kreis, bundesweit sind es 12 500“, sagte Schilling und Helf ergänzte, dass die Brunnen im Kreis Ahrweiler in Summe Jahr für Jahr rund 15 Millionen Euro an Investitionen tätigten. „Dabei vergeben wir die Aufträge wiederum nur an heimische Unternehmen“, machte Helf klar, dass die Brunnen auch indirekt für Schaffung und Erhalt von Arbeitsplätzen arbeiten.

Auch vor diesem Hintergrund erklärte Karl Tack als Chef des Bundesverbandes: „Die in der Regel inhabergeführten, mittelständischen Betriebe sind in ihren Regionen fest verankert und bieten vielen Menschen seit Jahrzehnten sichere Arbeitsplätze. Ministerin Schulze nimmt mit ihrer einseitigen Bevormundungspolitik billigend in Kauf, dass die Mineralbrunnenbetriebe ohne Not wirtschaftliche Einbußen hinnehmen müssen und so Arbeitsplätze gefährdet sind.“

Bereits im Vorfeld der Brunnenversammlung hatte der GA bei Unternehmenssprecher Julian Stürcken, die Position von Apollinaris/Coca-Cola abgefragt. Zum Fall „Leitungswasser versus Mineralwasser“ erklärte Stürcken aus Berlin: „Leitungswasser wird häufig als das am besten kontrollierte Lebensmittel in Deutschland bezeichnet. Dabei haften die Wasserversorger für die Qualität nur bis zum Hausanschluss.“ Während das Leitungswasser vom Versorger über etliche Kilometer transportiert werden könne, ohne dass die Qualität leide, könnten nach der Übergabe am Hausanschluss nur wenige Meter ausreichen, um diese zu beeinträchtigen. Das bestätige auch das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB), das die auf den letzten Metern bis zum Verzehr auftretenden Risikofaktoren unter dem Namen „Last Mile“ zusammenfasse.

Mechthild Heil, bis 2017 Verbraucherschutzbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sicherte am Mittwoch den Mineralbrunnen ihre Unterstützung in Berlin zu – und ist damit bislang die einzige Politikerin. Frauke Helf: „Wir haben alle Politiker der Region angeschrieben, außer Lippenbekenntnissen uns gegenüber ist keine öffentliche Äußerung erfolgt.“

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