Anwalt floh mit 500 000 Mark Mandantengeldern in die Sonne

Nur weil er seiner Bürgerpflicht nachkam, wurde er gefasst - Vor dem Bonner Schöffengericht kam er mit Bewährungsstrafe davon

Bonn. Der Mann auf der Anklagebank war einmal ein angesehener Rechtsanwalt in einer angesehenen Bonner Kanzlei. Bis er vor sieben Jahren plötzlich das Gesetz, das er jahrzehntelang vertreten hatte, brach: Er veruntreute mehr als eine halbe Million Mark Mandantengelder, setzte sich in die Dominikanische Republik ab, wurde mit internationalem Haftbefehl gesucht - und 2004 nur gefasst, weil er seiner Bürgerpflicht nachkam.

Nun sitzt er mit 62 Jahren sichtlich nervös vor dem Bonner Schöffengericht und wird von seinem früheren Kanzleikollegen verteidigt, dem er damals mächtig Ärger eingebrockt hatte. Der Bruch im Leben des Angeklagten kam mit dem Bruch im Privatleben. Seine Ehe scheiterte, er übernahm sich finanziell - und vergriff sich 1998 erstmals an Geld, über das er in seinem Amt als Insolvenzverwalter verfügte.

Er brachte erst 200 000 Mark auf die Seite, dann noch einmal 174 000. Und als ihm schließlich ein Baron ein lukratives Mandat in einer Erbschaftssache übertrug, bei der es um 50 Millionen Dollar gegangen sein soll, wartete der Angeklagte nicht auf sein Honorar: Er nahm sich 150 000 Mark, und am 11. November setzte er sich in die Dominikanische Republik ab. Sein Kollege hatte schließlich die aufgebrachten Opfer am Hals.

Dem Angeklagten wurde die Zulassung als Anwalt entzogen, er wurde mit Haftbefehl gesucht, allerdings vergeblich. Niemand ahnte, dass er 2002 heimlich still und leise nach Deutschland zurückgekehrt war, in Sachsen lebte und für eine Anwaltskanzlei arbeitete, allerdings nicht als Anwalt. Und wäre er nicht im Juni 2004 Zeuge eines Raubüberfalls geworden und seiner Bürgerpflicht als Zeuge nachgekommen, wäre er vielleicht noch immer nicht gefasst.

Denn bei seiner Personalienfeststellung als Zeuge erkannte die Polizei, wen sie vor sich hatte. Der 62-Jährige kam in U-Haft - und nach einem Geständnis sechs Wochen später wieder frei.

Vor Gericht kommt der bisher unbescholtene Mann nun mit einem blauen Auge davon: In Übereinstimmung mit dem Staatsanwalt verurteilt ihn das Gericht wegen Untreue zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und 100 Sozialstunden und stellt ihm einen Bewährungshelfer zur Seite. "Wir wollen Ihnen helfen, wieder auf die Füße zu kommen", sagt Richter Frank Liegat.

Erleichtert nimmt der Ex-Anwalt das Urteil an und verlässt eilig den Saal. "Ich sehe Sie hier nicht wieder", ruft ihm der Richter nach. "Bestimmt nicht", ist die Antwort.

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