Verdeckte Ermittler gegen die Service-Wüste

Immer mehr Unternehmen nutzen anonyme Testkunden, um die Qualität ihrer Dienstleistungen zu überprüfen - "Mystery-Shopperin" testet Bonner Textil-Kaufhaus

Ob ein Einkaufsbummel  erfolgreich ist, hängt oft auch vom Service in den Geschäften ab.

Ob ein Einkaufsbummel erfolgreich ist, hängt oft auch vom Service in den Geschäften ab.

Foto: Lannert

Bonn. Mittwochmorgen, elf Uhr, in einem großen Bonner Textil-Kaufhaus: Nur wenige Kunden verlieren sich zwischen den Kleiderständern. Verkäuferinnen räumen Stapel mit Pullovern von einer Seite zur anderen. Die Kassiererin sitzt hinter ihrem Tresen und wartet auf Kundschaft.

Die Zeit ist reif für den Einsatz von Lena Fuchs. Die 25-jährige Studentin kauft in geheimer Mission. Als Testkundin im Auftrag einer Unternehmensberatung ist die Kölnerin in Bonn unterwegs. In dem Kaufhaus sucht sie "ein Party-Outfit, eher festlich, für eine Einladung zu einem großen Fest".

Was sie in Wirklichkeit wissen will: Wie lange dauert es, bis eine Verkäuferin ihre Hilfe anbietet? Trägt der Mitarbeiter ein Namensschild? Welche Wartezeit entsteht an der Kasse? Fragen die Verkäuferinnen nach Preisvorstellungen?

Nach dem Einkauf gibt die Testerin ihre Erfahrungen in einem detaillierten Fragebogen wieder. "Sie verlassen die Filiale, gehen zu Ihrem Auto und füllen den Test sofort aus", heißt es in der Arbeitsanweisung für das so genannte Mystery-Shopping. Die Eindrücke sollen nicht verblassen.

Zwischen 5 000 und 100 000 Euro lassen sich Unternehmen die anonymen Überprüfungen ihrer Dienstleistungs-Qualität nach Angaben des Test-Anbieters Concertare aus Burscheid bei Leverkusen kosten.

"Deutschland ist keine Service-Wüste", meint Concertare-Geschäftsführer Harald Becker, der auch im Vorstand des Bundesverbandes Mystery-Shopping sitzt. "Die Unternehmen haben viel an der Qualität ihrer Kundenbeziehungen gearbeitet."

Allerdings sind es nicht in erster Linie Einzelhändler, die ihre Mitarbeiter überprüfen lassen. Im Gegenteil: Ihnen ist Mystery-Shopping nach Verbandsangaben oft zu teuer. "Stark genutzt werden die Tests von Banken, Telekommunikations-Unternehmen und der Automobilbranche", sagt Becker.

Die Methode der geheimen Testkäufe stammt aus den USA. Seit rund 30 Jahren prüften die "Mystery-Shopper" in Deutschland, so Becker. Seit etwa acht Jahren gelte Mystery-Shopping als "zunehmend akzeptiertes Instrument".

Etwa elf größere Anbieter mit insgesamt bis zu 70 000 nebenberuflichen Testern teilen sich laut Becker in Deutschland den Markt untereinander auf. Branchenkenner schätzen den Jahresumsatz der Branche auf rund 50 Millionen Euro. "Es gibt in dem Gewerbe allerdings auch viele schwarze Schafe", weiß der Verbandssprecher. "Die erkennt der Kunde oft erst dann, wenn es zu spät ist."

Diese Tester bereiten auch den Gewerkschaften Sorge. "Es gibt eine Grauzone, die wir nicht für akzeptabel halten", sagt Folkert Küpers vom Fachbereich Handel der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di Nordrhein-Westfalen.

"Häufig werden Tester eingesetzt, die nach der Zahl der gefundenen Verstöße gegen Firmenregeln bezahlt werden", sagt Küpers. Da könne es schon einmal vorkommen, dass den Mitarbeitern Fallen gestellt würden. "So etwas kennen wir vor allem von den Discountern."

Gegen ordnungsgemäße Tests hat der Arbeitnehmer-Vertreter dagegen nichts einzuwenden: "Die Unternehmen haben das Recht, ordnungsgemäße Abläufe zu prüfen." Den Einsatz von Testkäufern stimmten Unternehmen in der Regel mit den Betriebsräten ab. "Die Namen der überprüften Mitarbeiter werden bei den Tests in der Regel aus Gründen des Datenschutzes nicht erfasst", sagt Becker.

Auch die "Mystery-Shopper" geben sich in der Regel bei ihren Prüfobjekten nicht zu erkennen. "Das ist eine der wichtigsten Regeln in dem Geschäft", weiß Test-Käuferin Fuchs. Sie erhält für ihren Einkauf eine Aufwandsentschädigung von rund 20 Euro. "Reich werden kann man als Testkäuferin nicht", sagt die Studentin. "Aber es ist interessant, die Kundenfreundlichkeit von Unternehmen zu vergleichen."

Das Bonner Kaufhaus hat bei Lena Fuchs gut abgeschnitten. Nachdem sich anfänglich keine Verkäuferin blicken ließ, findet sich schließlich doch eine Mitarbeiterin, die geduldig aus der gesamten Abteilung Kleider für die "wichtige Party" zusammensucht und ehrlich Auskunft gibt, was der Kundin steht und was nicht.

Damit ist die Prüfung allerdings noch längst nicht bestanden. Kurz nach dem Kauf steht Lena Fuchs wieder an der Kasse. "Geben Sie die Ware ohne Angabe von Gründen wieder zurück", lautet die Arbeitsanweisung der Testerin. Die Kassiererin nimmt es gelassen. Kurz darauf hängt das Party-Outfit wieder im Verkaufsraum.

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