"Brutaler Verdrängungswettbewerb"

Überangebot auf dem Markt bedroht Existenz der Landwirte im Rhein-Sieg-Kreis

  Gute Ernte, wenig Gewinn:  Optimale Witterungsbedingungen bescheren den Landwirten im Vorgebirge eine gute Ernte. Mit dem Verkauf ihrer Salate können sie aber teilweise nicht einmal die Herstellungskosten decken.

Gute Ernte, wenig Gewinn: Optimale Witterungsbedingungen bescheren den Landwirten im Vorgebirge eine gute Ernte. Mit dem Verkauf ihrer Salate können sie aber teilweise nicht einmal die Herstellungskosten decken.

Foto: Henry

Rhein-Sieg-Kreis. Blumenkohl, Kohlrabi, Rotkohl und viele andere Gemüsesorten sind in diesem Jahr so günstig wie nie zuvor. Die Verbraucher freut es, sie sparen beim Einkauf im Supermarkt ein paar Cent.

Was sich in der Haushaltskasse nur geringfügig bemerkbar macht, ist für die Landwirte im Vorgebirge existenzbedrohlich. "Bei solchen Dumpingpreisen kann man auf Dauer nicht überleben", sagt Heinz Pesch, Gemüsebauer aus Bornheim. Seine Salate musste er zum Teil für sechs Cent pro Stück verkaufen, die Produktionskosten schätzt er auf 15 Cent.

Schuld an der Situation ist ein Überangebot an fast allen Gemüsesorten, das es den Händlern erlaubt, die Preise nach unten zu treiben. "Die Anbauflächen wurden ausgeweitet", sagt Christoph Behr von der Zentrale Markt- und Preisberichtsstelle in Bonn.

Zwar gebe es noch keine endgültige Erhebung, doch gehe er von drei bis fünf Prozent mehr Fläche als im letzten Jahr aus. Das allein könnte der Markt noch verkraften, schließlich gibt es diese Entwicklung schon seit ein paar Jahren.

Doch wurde im vergangenen Jahr durch einen heißen Sommer die Ernte der Bauern noch geschmälert, so sorgten in diesem Sommer nahezu optimale Witterungsbedingungen für einen großen Ertrag.

Über die gute Ernte konnten sich die Bauern kaum freuen - am Roisdorfer Centralmarkt, an dem sie ihre Ware verkauften, wurden sie ihre Erzeugnisse nicht zu rentablen Preisen los.

"Die Landwirte informieren uns, was sie ernten können und wir machen dann ein Angebot an den Handel", erklärt der Abteilungsleiter für Produktion und Qualität, Hermann Berger. Wenn das den Händlern in diesem Jahr zu teuer war, haben sie einfach an anderer Stelle eingekauft.

"Die riefen gar nicht mehr an, um über den Preis zu reden. So groß war das Angebot", sagt Berger. Also war man in Roisdorf gezwungen, von vorneherein niedrige Angebote zu machen. Der ausgehandelte Preis wurde dann den Bauern mitgeteilt.

"Ich habe teilweise überlegt, ob ich überhaupt noch auf das Feld zum Schneiden gehe oder meinen Blumenkohl gleich unterpflüge", erinnert sich Landwirt Christoph Nagelschmitz aus Wesseling.

Auch er musste sein Gemüse teilweise unter den Herstellungskosten für Setzlinge, Maschineneinsatz, Lohn, Pacht, Düngemittel und andere Aufwendungen verkaufen. Lediglich mit Stangenbohnen habe er ein gutes Geschäft gemacht. Nicht genug, um nicht auf angesparte Reserven zurück greifen zu müssen.

"Ein typischer Betrieb im Vorgebirge baut fünf bis zehn Kulturen an", sagt Jörg Köhler, Gemüseexperte der Landwirtschaftskammer Rheinland. Nur wenige der Kulturen hätten den Landwirten in diesem Jahr Gewinne eingebracht.

Hauptsächlich Rhabarber, Zuchchini und Spargel zählten dazu, wobei letztere in der Region nur wenig angebaut würden. Hinzu kommt, dass die Fleischproduktion in der Region nur eine geringe Rolle spielt. "Das Vorgebirge ist stark von Obst und Gemüse abhängig", sagt Köhler.

Einen Ausweg aus der Misere sieht Hermann Berger vom Centralmarkt nicht. "Die Erzeuger müssten sich selbst in ihrer Anbaumenge beschränken", sagt er. Dass das passiere, sei jedoch eher Wunschdenken.

Bislang herrsche ein "brutaler Verdrängungswettbewerb". Jeder sei bemüht, seine Stückkosten bei der Produktion zu senken. Und das gehe nur, indem man das Angebot vergrößere. Große Betriebe in Westeuropa und auch in Deutschland würden den Markt überschwemmen.

Die Vergrößerung von kleinen Familienbetrieben hält Berger für wenig problematisch. Ihnen rechnet er auch die besten Überlebenschancen zu. "Sie haben Reserven. Den ganz Großen, die auch unter den Herstellungskosten verkaufen müssen, sitzen sofort die Banken im Nacken."

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