Porträt Olaf Scholz (SPD) kehrt auf die bundespolitische Bühne zurück

Berlin · Es war im September 2008: Der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck hatte - zermürbt durch innerparteiliche Kritik im Zusammenhang mit der Frage der Kanzlerkandidatur 2009 - bei einer Klausurtagung vor den Toren Berlins seinen Rücktritt erklärt. Mit Verblüffung nahm die Parteispitze den Nachfolge-Vorschlag des Mainzers zur Kenntnis: Olaf Scholz.

Der heute 55-Jährige war zu diesem Zeitpunkt bei der Parteibasis eigentlich unten durch. Doch der beharrliche, in Osnabrück geborene Jurist, nutzte die Situation für den stillen Wiederaufstieg in der Bundespolitik: Als Anerkennung werten vor diesem Hintergrund Parteikreise die Tatsache, dass der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel Scholz in die siebenköpfige Delegation aufgenommen hat, die für die SPD die Sondierungsgespräche und eventuellen Koalitionsverhandlungen mit den Unionsparteien führen wird; die Sondierungsgespräche sollen am Freitag in Berlin aufgenommen werden.

Der Erste Hamburger Bürgermeister kann damit durchaus als Nachfolge-Anwärter für Parteichef Gabriel gelten, falls dieser mit seinem Konzept einer Mitgliederbefragung bei den Berliner Bündnisgesprächen scheitern sollte.

In einem Interview ließ Scholz kürzlich indirekte Kritik am Führungsstil des Vorsitzenden und dessen Hang zu überraschenden Vorstößen erkennen: "Sigmar Gabriel kann sicher in der einen oder anderen Frage auch mal sagen, welche Meinung er nur persönlich vertritt."

Scholz hat in der Verhandlungsdelegation intern die Bereiche Arbeit und Soziales unter sich. Seine Nominierung löst beim Schattenarbeitsminister Klaus Wiesehügel nicht eben Freude aus, sieht sich der ehemalige Bau-Gewerkschaftsboss doch ein Stück weit übergangen. Lange vor Beginn der Parteien-Kontakte pochte er darauf, ihm sei der Posten des Arbeitsministers in einer großen Koalition zugesagt worden.

Scholz hält nichts von impulsiven Ausbrüchen: Er verliert so gut wie nie die Contenance. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht zog 1998 in den Bundestag ein. 2001 wurde er Hamburger Innensenator. Sein Leitspruch, mit dem er teilweise rigide Maßnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit begründete, hat in der SPD nicht allen gefallen: "Ich bin liberal, aber nicht doof."

2002 zog er erneut in den Bundestag ein; gleichzeitig wurde er SPD-Generalsekretär. Es war die Agenda-Zeit: Die Partei warf ihm vor, dass er sich zu sehr als Sprachrohr der Parteispitze (Scholzomat) profilierte, aber die Interessen der Gesamtpartei nicht hinreichend vertreten habe. Weitere Stationen: Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion und von 2007 bis 2009 Bundesarbeitsminister.

2011 gelang dem Comeback-Spezialisten ein Coup, als er in der Hansestadt die absolute Mehrheit für seine SPD holte. Der als kühl geltende Scholz meisterte die Hamburger Herausforderung bisher geschickt, was selbst seine politischen Gegner anerkennen und sich auch in der Wertschätzung der eigenen Partei niederschlägt.

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