SPD-Konvent Gegen alle Zweifel in der Partei

BERLIN · Kein Wort zu viel. Die Stimmung ist schon angespannt genug. Die Nervosität ausreichend groß. Sigmar Gabriel hat das böse Wort in seiner Rede an den SPD-Konvent nicht einmal erwähnt: Vorratsdatenspeicherung.

 Der Vizekanzler und der Justizminister: Sigmar Gabriel (rechts) brachte Heiko Maas dazu, für die Vorratsdatenspeicherung zu sein. Am Samstag gelang es nun beiden, ihre Partei hinter sich zu bringen.

Der Vizekanzler und der Justizminister: Sigmar Gabriel (rechts) brachte Heiko Maas dazu, für die Vorratsdatenspeicherung zu sein. Am Samstag gelang es nun beiden, ihre Partei hinter sich zu bringen.

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Das müssen nach ihm andere tun. Thomas Oppermann etwa, einflussreicher Chef der SPD-Bundestagsfraktion, oder auch Heiko Maas, Bundesjustizminister. Die Mehrheit dieses Tages will erkämpft sein. Das wissen Gabriel, Oppermann und Maas, als sie zur späten Vormittagsstunde das Willy-Brandt-Haus betreten.

Da hat sich der Protest zum Empfang der SPD-Spitze bereits postiert. "Schluss mit dem Geblubber", verlangen Netzaktivisten von "digitalcourage" und lassen vor der SPD-Zentrale Seifenblasen durch den geöffneten Mund der Pappmasken mit den Gesichtern von Maas und Gabriel in den Himmel steigen. Sie wollen "Grundrechte wahren! Vorratsdatenspeicherung verhindern!" Darüber ist ein Großplakat von Greenpeace gespannt: "Willy Brandt würde TTIP ablehnen."

Wenn es nur so einfach wäre. Maas hat später hinter verschlossener Tür die Aufgabe, bei den 200 Delegierten für Verständnis, vor allem aber für Zustimmung zu seinem Gesetzentwurf für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung zu werben. Maas war lange erklärter Gegner dieses Ermittlungsinstruments, von dem vor allem Unionspolitiker, darunter Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), sagen, es sei unerlässlich im Kampf gegen Terror und organisierte Kriminalität. Vizekanzler Gabriel drückte erst in der Folge des Terroranschlags auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" Anfang Januar in dieser Frage aufs Tempo und setzte Maas in Marsch, weil der SPD-Vorsitzende nicht wollte, dass die Union das Thema komplett an sich reißt.

Gabriel bestreitet allerdings, dass sein Eintreten für die Vorratsdatenspeicherung etwas mit dem Terroranschlag in Paris zu tun habe. Er fühle sich an einen Bundesparteitagsbeschluss von 2011 gebunden, in dem sich die SPD für die Vorratsdatenspeicherung unter strengen Auflagen ausgesprochen hatte. "Das hat mit Charlie Hebdo nichts zu tun."

Wie auch immer: Maas musste machen. Und er lieferte - in zähen Verhandlungen mit Innenminister de Maizière - einen Gesetzentwurf für die Vorratsdatenspeicherung. Jetzt muss er bei den Gegnern unter den Delegierten dieses Kleinen Parteitags für eine Mehrheit werben. Ob ihm dabei wohl ist? Persönliche Empfindungen zählen wenig, wenn selbst SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi vor dem Konvent mahnte, es könnte bei einem ablehnenden Votum gar die Regierungsfähigkeit der SPD auf dem Spiel stehen.

Es geht um viel. Der Parteivorstand will vorher wissen, wie in diesem Führungsgremium die Stimmen verteilt sind, wenn später schon mit dem Widerstand von 100 "Gliederungen" der SPD zu rechnen ist, die Ablehnung oder Skepsis zur Vorratsdatenspeicherung angemeldet hatten. Der Berliner Landeschef Jan Stöß und der neue Frontmann der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, sagen: Nein zur Vorratsdatenspeicherung. Ansonsten Zustimmung in der SPD-Führung. Stöß wird später sagen: "Ich finde, es ist typisch SPD, sich die Entscheidung nicht leicht zu machen."

Maas agitiert nicht. Bloß nicht provozieren. Er argumentiert. Betont "sachlich" laufe die Debatte hinter verschlossener Tür, erzählen Teilnehmer. Maas verweise auf Gerichtsurteile und leite aus ihnen die Notwendigkeit wie auch die Gerichtsfestigkeit seines Gesetzentwurfes her. Das soll reichen. Regierungsfähigkeit der SPD? Kein Thema. Am Ende steht die Mehrheit: 124-mal Ja, 88 Nein, sieben Enthaltungen. Gabriel spricht von einer 60-Prozent-Mehrheit und wirkt zufrieden. "Eine klare Mehrheit für Heiko Maas", lobt Gabriel. Maas sagt: "Wir wollten entscheiden. Wir haben entschieden. Jetzt ist es entschieden."

Die Kritiker haben durchgesetzt, dass das Gesetz "in zwei bis drei Jahren" von unabhängigen Experten überprüft werden soll. Gabriel will sich die Mehrheit nicht madig machen lassen: "60 Prozent in einer Partei, die diskutiert, sind besser, als 100 Prozent in einer Partei, die nicht diskutiert."

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