Gesundheit "Man nimmt uns Geld weg"

Die 2000 deutschen Krankenhäuser schlagen schon seit längerem Alarm und mahnen eine bessere Finanzierung an. Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft schreiben 40 Prozent rote Zahlen.

 Oft ist es personell knapp: Pfleger im Krankenhaus.

Oft ist es personell knapp: Pfleger im Krankenhaus.

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16 Prozent der Kliniken haben aus Expertensicht eine erhöhte Insolvenzgefahr. Die Bundesregierung hat jetzt die geplante Krankenhausreform auf den Weg gebracht. Was halten die Chefs von Krankenhäusern aus der Region von den Plänen?

Wenn Ingo Morell das Stichwort Krankenhaus-Reform hört, wird seine Stimme etwas lauter, und er redet schneller: "Es macht mich wütend, dass die grundlegenden Probleme der Krankenhäuser überhaupt nicht angegangen werden", sagt der Sprecher der Geschäftsführung der Gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe mbH (GFO). Zur GFO gehören in der Region das Marien-Hospital am Venusberg, das St. Josef-Hospital in Beuel, das Cura-Krankenhaus in Bad Honnef sowie die Troisdorfer Krankenhäuser St. Josef und St. Johannes.

Morell vermisst bei den Reformplänen eine Verbesserung sowohl bei der Finanzierung der Personal- als auch der Investitionskosten. Durch das geplante Personalförderprogramm würden die Kliniken zwar zusätzliches Geld erhalten, doch es sei viel zu wenig. Zudem werde durch die Streichung des Versorgungszuschlages den Kliniken wieder Geld weggenommen. Seit 2013 erhalten die Krankenhäuser insgesamt 500 Millionen Euro im Jahr als Versorgungszuschlag. Der Zuschlag in Höhe von 0,8 Prozent der Entgelte für Klinikleistungen wurde bis zu einer grundlegenden Reform verlängert. Die Klinik-Chefs würden ihn gerne zur Dauereinrichtung werden lassen.

"Was mich auf die Palme bringt: Die Politik fordert von den Krankenhäusern Qualität, liefert sie aber selbst nicht." Durch das Personalförderprogramm könne er in drei Jahren nicht mehr als zwei Stellen pro Krankenhaus zusätzlich finanzieren. Die Streichung des Versorgungszuschlags von 0,8 Prozent der Vergütung würde unter dem Strich aber dazu führen, dass sogar weniger Geld zur Verfügung stehe als vorher. Außerdem könne das Personalförderprogramm von viele Krankenhäusern nicht hinreichend ausgenutzt werden, da sie den Eigenanteil und die Folgekosten von Neueinstellungen nicht aufbringen können.

Ein Beispiel: "Das Cura-Krankenhaus in Bad Honnef schreibt rote Zahlen, da habe ich nicht so viel Geld, um die Folgekosten zu finanzieren", erläutert Morell. Außerdem versäume es die Politik, den Investitionsstau bei den Krankenhäusern zu lösen. Wenn ein Haus als bedarfsnotwendig anerkannt worden sei und damit weiter finanziert werde, dann müsse es auch mehr Mittel zur Finanzierung der Investitionskosten bekommen. Sein Resümee: "Die Reformpläne sind in der virtuellen Welt Berlins entstanden."

Wolfgang Holzgreve, ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Bonner Universitätsklinikums, sieht hingegen im geplanten Reformschritt zunächst einmal einen Fortschritt: "Es ist anzuerkennen, dass die Bundesregierung die Qualität der medizinischen Versorgung neben der Finanzierbarkeit nicht nur in der Koalitionsvereinbarung betonte, sondern jetzt schon konkrete gesetzliche Konzepte vorgelegt hat."

Er sieht die geplanten Zuschläge für gute Leistungen und Abschläge für Qualitätsmängel in der Behandlung kritisch: "Generell wissen wir natürlich, dass Belohnungen und auch Bestrafungen uns Menschen helfen, nach guten Regeln zu leben und uns immer wieder an unsere Verpflichtungen spürbar erinnern." Allerdings sei die Messung der Qualität in der medizinischen Versorgung nicht leicht. Beispielsweise gebe es in Universitätskliniken häufiger schwere Fälle mit Mehrfach-Erkrankungen als in anderen Krankenhäusern. "Hier muss also der Gemeinsame Bundesausschuss mit den medizinischen Experten noch gute Messkriterien entwickeln, die dem komplizierten Alltag gerecht werden", meint Holzgreve.

Ziel der Reform ist es auch, die Zahl an überflüssigen Operationen abzubauen. Dafür sollen die Kliniken Abschläge bei der Vergütung hinnehmen, wenn steigende Zahlen an Behandlungen als nicht medizinisch notwendig eingestuft werden. Für Holzgreve ist das ein zweischneidiges Schwert: Auch wenn es bestimmte Eingriffe in Deutschland häufiger gebe als zum Beispiel in Großbritannien, so müssten die Ursachen sorgfältig geprüft werden: "Ob bei uns gelegentlich zu schnell der Weg zur Operation beschritten wird oder ob wir bei der alternden Bevölkerung in Wirklichkeit die gebotene, uneingeschränkte Versorgung eben glücklicherweise noch bieten können, während in anderen Ländern wegen des Alters der Patienten Operationen nicht mehr finanziert werden oder wegen fehlender Mittel im Gesundheitswesen ärgerliche Wartezeiten in Kauf genommen werden müssen."

In den letzten zehn Jahren sei sowohl die Schere zwischen den nur leicht gestiegenen Vergütungen durch die Krankenkassen und den stark gestiegenen Kosten größer geworden als auch die Investitionsfinanzierung der Länder für Geräte und Bauten speziell für die Universitätskliniken prozentual deutlich zurückgegangen. "Das belastet uns stark, und wir hoffen künftig auf vollständige und bessere Vergütung unserer Leistungen", so Holzgreve.

Günter Zwilling, kaufmännischer Direktor der Universitätsklinik Köln, sieht die Refompläne in finanzieller Hinsicht kritisch: "Ich prognostiziere, dass sich die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser verschlechtern wird." Wenn der Versorgungszuschlag gestrichen werde, würden der Universitätsklinik Köln unter dem Strich mehrere Millionen Euro fehlen. Ein Kritikpunkt sieht er in der Verlängerung des Mehrleistungsabschlags für die Kliniken.

Das ist eine Abschlagszahlung für Leistungen, die Krankenhäuser im Vergleich zum Vorjahr vereinbaren. Seine Einrichtung habe derzeit 1700 Pflegekräfte. Durch die Reform könne er vielleicht zwei zusätzliche Stellen finanzieren: "Das hilft uns nicht weiter. Die Mitarbeiter engagierten sich Tag für Tag. "Politiker sollten im Krankenhaus hospitieren und dann erst über Reformen entscheiden", meint Zwilling.

"Jeder Patient kann erwarten, dass gute Qualität geliefert wird", sagt Zwilling. Es sei aber sehr spannend, wie die Qualität einer Behandlung im Krankenhaus gemessen werden soll.

Genau 27-mal hat Heidi Bäumgen, Krankenhaus-Direktorin für das Johanniter- und Waldkrankenhaus in Bonn, im Entwurf der Krankenhaus-Reform das Wort Qualität gezählt. "Das klingt so, als ob sich die Krankenhäuser das erste Mal mit dem Thema Qualität beschäftigen würden." Das stimme natürlich nicht. Auf Qualitätsberichte und Zertifizierungen habe man seit Jahren ein Auge. Wer gute Qualität erbringe solle, müsse einen guten Personalschlüssel haben. Doch das berücksichtige die Reform nicht. "Man nimmt uns Geld weg." Dass Personal auch Tarifsteigerungen über die Jahre habe, bilde die Reform nicht ab. Auch Bäumgen rechnet damit, dass durch das Pflegeförderprogramm zwei Stellen pro Krankenhaus geschaffen werden könnten, aber durch den Wegfall des Versorgungszuschlags fehle Geld.

Wie der Investitionsrückstand in den Kliniken durch die Reform aufgeholt werde könne, erkenne sie gar nicht. Gerade bei den kommunalen Krankenhäusern sei vieles veraltet. Der geplante Investitionsfonds helfe nur bei Schließungen, nicht aber den Häusern, die weiter gebraucht werden. Das Johanniter- und das Waldkrankenhaus hätten es da besser: Sie würden Gewinne erzielen und hätten Eigenmittel angespart. Doch für alle Kliniken gelte, dass sie sich strategisch aufstellen und spezialisieren müssten: "Daran führt kein Weg vorbei."

Die Reformpläne

Die Krankenhaus-Reform soll zum

1. Januar 2016 in Kraft treten. Die Länder sind für die Krankenhausplanung und die Investitionskosten zuständig, die Krankenkassen für den Betrieb der Häuser. Die zusätzlichen Ausgaben liegen nach Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums bei 6,4 Milliarden Euro.

  • Künftig soll es für gute Leistungen bei Operationen und Patientenversorgung Zuschläge geben, bei schlechten Leistungen Abschläge, wenn es den Kliniken nicht gelingt, die Mängel innerhalb eines Jahres abzustellen.
  • Krankenhäuser, die durch schlechte Qualität auffallen, sollen nicht nur weniger Geld bekommen. Auf Dauer laufen sie Gefahr, dass Abteilungen oder das ganze Haus geschlossen werden. Auf diesem Wege sollen Überkapazitäten bei den Krankenhäusern in Deutschland abgebaut werden.
  • Der Gemeinsame Bundesausschuss, das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland, soll Kriterien für die Qualitätsmessung entwickeln. Die Qualitätskriterien sollen auch dazu führen, dass sich Kliniken spezialisieren, also ausschließlich die Behandlungen durchführen, die sie am besten können.
  • Dazu werden die Krankenhäuser auch verpflichtet, Mindestmengen für bestimmte Leistungen festzulegen. Erbringt ein Haus dann eine Leistung, obwohl es hier die festgelegte Mindestmenge nicht erreicht, erhält es keine Vergütung.
  • Zuschläge sollen die Krankenhäuser für die Teilnahme an der Notfallversorgung oder für die Übernahme besonderer Aufgaben erhalten.
  • Um die Umstrukturierungen der Krankenhäuser zu finanzieren, soll ein Strukturfonds mit einem Volumen von bis zu einer Milliarde Euro geschaffen werden. Dafür sollen 500 Millionen aus dem Gesundheitsfonds kommen. Die Länder sollen denselben Beitrag beisteuern.
  • Für eine bessere Pflege der Patienten wird ein Förderprogramm eingerichtet, das bis zum Jahr 2018 Mittel von bis zu 660 Millionen Euro vorsieht. Anschließend werden dauerhaft weitere 330 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt.
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