"Zero" im Bonner Landesmuseum Rückkehr der Avantgarde

Bonn · Nach zehn Jahren verglühte die legendäre Zero-Gruppe 1966 in Bonn. Das LVR-Landesmuseum erinnert daran mit einer Teilrekonstruktion der Ausstellung des Städtischen Kunstmuseums. Abschiedsparty im Bahnhof Rolandseck.

 Zeitzeugen: Otto Pienes Witwe Elisabeth Goldring-Piene und Heinz Mack in der Ausstellung „Zero ist gut für Dich“.

Zeitzeugen: Otto Pienes Witwe Elisabeth Goldring-Piene und Heinz Mack in der Ausstellung „Zero ist gut für Dich“.

Foto: Vogel

Bonn sei 1966 langweilig gewesen, erinnert sich der Künstler Heinz Mack, besonders für das Polit- und Diplomatenvolk: „Ab 17 Uhr war nichts mehr los.“ Am 25. November 1966 war alles anders: Da strömten sie nach der Eröffnung der Ausstellung „Zero in Bonn“ im Städtischen Kunstmuseum in den Bahnhof Rolandseck zum „Zero-Mitternachtsball“. Hunderte Gäste in Smoking und Abendkleid tanzten unter weißen Luftballons. An der Wand hing ein Plakat: „Zero ist gut für Dich.“ So nennt sich jetzt auch eine sehr gelungene Ausstellung im LVR-Landesmuseum, die 50 Jahre später nicht nur versucht, die damalige Bonner Schau von Otto Piene, Günther Uecker und Heinz Mack in Teilen zu rekonstruieren und die Party in Rolandseck zu dokumentieren, sondern auch Schlaglichter auf die erfolgreichste deutsche Kunstgruppierung der frühen Nachkriegszeit wirft.

Anlass der Feierlichkeiten von 1967 und wohl auch Grund für das riesige Publikumsecho war die – angekündigte – Auflösung von Zero, der Dreiergruppe, die sich zehn Jahre zuvor in Düsseldorf gegründet und mit ihrer mit Licht und Bewegung arbeitenden Kunst offenbar den Nerv der Zeit getroffen hatte. Wie ein altes Ehepaar habe man sich auseinandergelebt, erzählte Mack am Freitag am Rand der Pressekonferenz, zuletzt habe Missgunst geherrscht: „Wir liefen in Ausstellungen mit Zollstöcken herum, damit keiner mehr Platz bekommt als der andere.“

Das Fazit des agilen 85-Jährigen: „Das Feuer war nicht mehr da.“ Er betrieb die Trennung, Uecker machte mit, nur Piene tat sich schwer. Für ihn war Zero eine Idee, und die könne man nicht aufgeben. „Zero lebt“, sagte passend Elisabeth Goldring-Piene, die Witwe des 2014 gestorbenen Piene, vor der Presse.

Den Eindruck hat man allerdings auch beim Besuch von „Zero ist gut für Dich“, zumal es der Düsseldorfer Zero-Foundation gelungen ist, zwei zentrale Installationen der Bonner Schau von 1966 zu rekonstruieren: Macks poetisches „Zwischen Himmel und Erde“ und Pienes quirliges Lichtballett „Hommage an New York“. In Macks Installation, die nach der Bonner Schau recycelt und von ihm neu inszeniert wurde, drehen sich Bahnen aus glitzerndem Alugewebe, dem für die Raumfahrt entwickelten „Honeycomb“, über einem lockeren Teppich aus Glaswolle, der wie eine Wolkenschicht anmutet. Plexiglasscheiben verhindern den Eintritt in diesen Raum im Raum: „Die Welt von Zero ist eine Welt für die Augen“, sagt Mack.

Ein Augenschmaus auch Pienes Lichtballett, das sich mit seiner Mischung aus Licht-, Farb-, Bild- und Toneffekten als frühes Multimediaexperiment präsentiert und in der Simultaneität der Reize Erinnerungen an New York verarbeitet, eine Stadt, die die drei Zero-Künstler liebten. Das Klacken des Diakarussells mit New-York-Fotos, Projektionen bemalter Glasscheiben, psychedelischen Lichteffekten: ein großes, wildes 1960er-Kino. Erstmals nach der Bonner Schau ist dieses wunderbare Sechs-Minuten-Schauspiel wieder zu sehen. Relikte der „Hommage“ fanden sich in Pienes Atelier, der Rest wurde rekonstruiert.

Späte Einladung zur Documenta III

Uecker war 1966 mit keiner großen Arbeit vertreten, nur mit einem „Neonnagel“ und dem „Dreiklang“ – der Meister selbst weilte damals in New York. Seine Großinstallation „Lichtplantage“ zeigte er 1966 in Eindhoven und später auf der Documenta IV. Im Landesmuseum ist sie nun mit neuer Schaltsequenz zu sehen: 36 Metallstäbe in neun Modulen stehen da, die Stäbe sind geschlitzt, durch die Schlitze scheint Neonlicht, das in unregelmäßigen Abständen angeschaltet wird. Ein begehbares Lichttheater, das entfernt an das Flackern der Neonreklamen in New York erinnert.

„Zur Documenta III (1964) hat man uns eingeladen, als die Vernissagengäste schon das Sektglas in der Hand hatten“, sagt Mack bitter, und man habe ihnen „den letzten verschmutzten Speicher“ in Kassel als Ausstellungsort zugewiesen. Zwei Jahre später tritt Zero – die Kunst der Stunde null – als erfolgreiche Bewegung ab. Die Ausstellung skizziert die Geschichte, zeigt Mack im futuristischen Outfit mit seinen Lichtstelen in der tunesischen Wüste und Pienes wunderbare Lichtkugeln im Foyer der Bonner Oper und die Lichtwolke über dem Zuschauerraum. Dokumentiert ist eine Rede Pienes über den Dow-Jones und den Blackout in New York. Das Publikum stapfte derweil mit Kerzen in der Hand durch den Raum und skandierte „New York ist dunkel“. Eine wirklich bemerkenswerte Schau mit Lob von höchster Stelle: „Wenn ich in den Spiegel sehe, sehe ich einen alten Mann“, sagte Mack, „wenn ich diese Arbeiten sehe, vergesse ich es.“

LVR-Landesmuseum; bis 26. März. Di -Fr, So. 11 -18, Sa 13 -18 Uhr

Meistgelesen
Neueste Artikel
Daniel Johannes Mayr dirigiert das Beethoven
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCampNeue Musik zwischen Wohnwagen
Zum Thema
Aus dem Ressort