Euro Theater Central in Bonn Kleists „Michael Kohlhaas“ als Ein-Personen-Stück

Bonn · Das Euro Theater Central bietet bekanntermaßen nicht allzu viel Platz. Die Beschränkungen der Zimmerbühne stellen Regisseure und Schauspieler immer wieder vor reizvolle Herausforderungen – dass diese aber ganz bewusst noch weiter verkleinert wird, kommt selten vor.

Michael Meichßner als Michael Kohlhaas.

Michael Meichßner als Michael Kohlhaas.

Foto: Thomas Kölsch

Andererseits ist Stefan Hermanns Inszenierung des „Michael Kohlhaas“ auch etwas Besonderes. Denn die Kleistsche Geschichte eines Mannes, der aufgrund eines durch Vetternwirtschaft korrumpierten Rechtsstreits vom Staat nicht mehr vertreten fühlt und daher zur Selbstjustiz greift, braucht keinen großen Raum, um zu wirken. Zumindest dann, wenn man sie auf das Wesentliche beschränkt. Und darauf versteht sich das Euro Theater nun einmal meisterhaft.

„Ein zentrales Thema des Stücks ist ja das der Grenze“, sagt Schauspieler Michael Meichßner, der in dem Ein-Personen-Stück eingepfercht in einer Art überdimensionalem Guckkasten der Titelrolle Leben einhaucht. „Kohlhaas ist ja gewissermaßen in seinen eigenen Vorstellungen von Recht und Moral gefangen, und der Bühnenraum verstärkt dieses Bild nur. Sowohl für das Publikum als auch für mich: Durch die Lichtsetzung sehe ich in der Plexiglasscheibe nur meine eigene Reflektion und spiele mich somit in gewisser Weise selber an. Vom Rest der Welt bin ich hingegen getrennt.“

Doch auch in anderen Aspekten ist Kohlhaas ein Abgehängter, ein Opfer der Herrschenden und damit Symbolfigur für viele Menschen der heutigen Zeit. „Meiner Meinung nach ist das Stück erschreckend aktuell“, gesteht Regisseur Hermann. „Es existiert einfach ein großes Misstrauen in unsere Justiz und unser gesamtes Gesellschaftssystem, was sich häufig in Aktionen entlädt, die vielleicht nicht so extrem sind wie die von Kohlhaas, sich aber aus derselben Motivation speisen.“

Hier wollen er und Meichßner anknüpfen und zugleich einen schwierigen Balanceakt wagen: „Auf der einen Seite wäre es natürlich ideal, wenn wir das Publikum auf die Seite von Kohlhaas ziehen könnten“, gesteht Hermann. „Wahrscheinlich werden die meisten Zuschauer die Ungerechtigkeit, die ihn zum Plündern und Brandschatzen verleitet, sogar selbst verurteilen.“

Immerhin ist es tragisch, dass Kohlhaas' Frau bei dem Versuch, ein Gesuch an den sächsischen Kurfürsten zu überbringen, tödlich verletzt wird – und alles nur im Streit um zwei Pferde, die ein arroganter Junker dem Pferdehändler entwendet und zugrunde gerichtet hat. „Genau. Dann stellt sich allerdings die Frage, wo die Grenze zu ziehen ist, bis zu welchem Punkt man sich wehren kann, darf und sollte.“ Und auf der anderen Seite? „Wollen wir die Fratze jenes Impulses zeigen, die Kohlhaas dazu bringt, sich der Rache hinzugeben“, sagt Meichßner. „Denn ein Märtyrer für die Gerechtigkeit ist er, bei allem Verständnis ihm gegenüber, keineswegs.“

Termine:

  • 24. bis 26. November, 1. bis 3. sowie 28. und 29. Dezember, jeweils 20 Uhr im Euro Theater Central.
  • Karten erhalten Sie in den bonnticket-Shops der GA-Geschäftsstellen.
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