Brühl Max Ernst Museum feiert den Kölner Sammler Peter Schneppenheim

BRÜHL · Max Ernsts Linie wirkt frei und unbefangen, fast etwas naiv. Das Personal, die bisweilen als Liebespaar auftretenden Vögel auf den Blättern der Mappe aus acht collagierten Radierungen, die im Brühler Max Ernst Museum zu sehen sind, muten nicht minder unschuldig und kindlich an.

 Tiefe Melancholie: Max Ernsts Radierung aus der Mappe "Oiseaux en péril", 1975.

Tiefe Melancholie: Max Ernsts Radierung aus der Mappe "Oiseaux en péril", 1975.

Foto: Museum

Kaum zu glauben, dass er 84 Jahre als ist, als der Künstler diese Vögel aufs Wesentliche reduziert zeichnet: Schnabel, Augen, der Schwung der Flügel. Der Vogel Loplop, Ernsts Alter Ego, hat hier einen letzten großen Auftritt; kein halbes Jahr nach dem Erscheinen der Mappe stirbt Max Ernst.

Wer genauer hinsieht, bemerkt die leeren Augen der Vögel, die gestörte Kommunikation und seltsame Körpersprache, die wie beiläufig ins Bild gebrachten Nägel, Scheren und Schusswaffen. Ein Klima der Verunsicherung, der Gewalt ergreift die Kunst, Melancholie macht sich breit.

Der Titel der Mappe, das letzte Gemeinschaftswerk mit Dorothea Tanning, lässt keinen Raum für Spekulationen: "Oiseaux en péril", Vögel in Gefahr. "Unser Kreischen spaltet den Himmel/ Den natternzerbissenen Himmel", schreibt Tanning dazu. Zwischen diesen, Tod und Verzweiflung poetisierenden Blättern und einer Zeichnung aus dem Brühler Schlossgarten liegen unendlich anmutende sechs Jahrzehnte.

Max Ernst war 20, als er die Bäume seiner Heimat zeichnete, und noch nicht erahnbar war, dass er einmal eine der führenden Persönlichkeiten der Dada-Bewegung und des Surrealismus sein würde. Zwei Jahre nach dem lieben Baumbild holt ihn August Macke nach Bonn in die 1913 stattgefundene erste Ausstellung Rheinischer Expressionisten.

Peter Schneppenheim war 25, als er 1951 die erste große Retrospektive Max Ernsts in Brühl sah. Der Medizinalassistent Schneppenheim fing Feuer, begann Max Ernst zu sammeln, erst Grafik, Ende der 60er Jahre leistete sich der junge Familienvater das erste Gemälde von Max Ernst. Der Rest ist Geschichte.

Einen Blick darauf wirft nun das Max Ernst Museum mit der Ausstellung "Das 20. Jahrhundert". Anlass der Schau ist die Schenkung des Gemäldes "Das 20. Jahrhundert" durch den 87-jährigen Mäzen. Das 1955 entstandene Bild nimmt die pessimistische Weltsicht der "Vögel in Gefahr" vorweg, ist eine düstere Ruinen- oder Mülllandschaft, über der sich ein fahler Mond erhebt.

Durchaus zutreffend bezeichnet Kurator Jürgen Pech Max Ernst als "den Romantiker des 20. Jahrhunderts". Viele seine Landschaften, die in der kleinen Schau zu sehen sind, teilen mit den Romantikern des 19. Jahrhunderts den bohrenden Weltschmerz, die Entrückung, aber auch Ehrfurcht vor der Schönheit .

Die ausgesprochen feine Auswahl im Max Ernst Museum gibt einen knappen, aber recht vielsagenden Einstieg in Ernsts Werk. Gemälde wie "Das Bett des Holofernes" (1961) lassen den Intellektuellen und profunden Kunstkenner Ernst erkennen: Caravaggios Judith, die den Holofernes enthauptet, ist in diesem Bild ebenso enthalten wie die Thematik der Guillotine.

Beides gilt in der psychoanalytisch durchtränkten Vorstellungswelt der Surrealisten als Chiffre für Kastrationsängste. 36 Arbeiten eröffnen in der Schau einen breiten Kosmos und setzen Schneppenheim, ehemaliger Chefarzt in den Kölner Hospitälern St. Anna und Heilig-Geist, ein Denkmal.

Im Jahr 2000 hatte die Kreissparkasse Köln 700 Werke für 3,5 Millionen D-Mark von ihm angekauft, als Grundstock für das 2005 eröffnete Museum. 2003 gründete er die Stiftung Schneppenheim zur Förderung des Max Ernst Museums, deren Werke als Dauerleihgabe präsentiert werden. Dann schenkte er dem Museum Ernsts "Das 20. Jahrhundert".

Möglicherweise der Auftakt zu einer Serie: In der Schau sind auch etliche Werke aus Schneppenheims Privatsammlung zu sehen, die dem Museum gut anstünden.

Info:Max Ernst Museum, Brühl; bis 24. November. Di-So 11-18 Uhr. Katalog 19,95 Euro

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