Ausstellung in Bonn Deutsche Welle zeigt Karikaturisten Walter Hanel

Bonn · Diese ganz feine, präzise Linie, die einen breiten Bogen beschreibt, dessen Enden sich jeweils nach unten richten, wobei die Linie dann hakenartig kurz nach oben zeigt und dann wieder nach unten - dieser Strich wird unvergesslich mit Helmut Kohl verbunden bleiben.

 Walter Hanel mit einem Blatt aus der Vogel-Serie.

Walter Hanel mit einem Blatt aus der Vogel-Serie.

Foto: DW

Genauer: Den Mund, den der Karikaturist Walter Hanel dem ehemaligen Kanzler ins flächige, birnenförmige Gesicht gezeichnet hat, verbinden wir mit Kohl. Alles ist in diesem feinen Strich vereinigt: Das Schlaue und die Bräsigkeit, das Wissen um die eigene Macht und eine gewisse Note der Einfalt, die der Kritiker Hanel Kohl zuschreibt.

Es macht großen Spaß, diesem vielleicht einflussreichsten Karikaturisten der Bundesrepublik gewissermaßen über die Schulter zu blicken, wenn er Münder zeichnet: Genschers Schnütchen, Schmidts grämliche Miene, Merkels Mundwinkel, Steinbrücks schmerzliche Mimik, die sich immer stärker der des späten Kohl nähert.

Studien wie diese lassen sich wunderbar in Walter Hanels Ausstellung betreiben, die gestern in der Deutschen Welle in Bonn eröffnet wurde. Der scheidende Intendant Erik Bettermann hatte sich nicht nur den 82-jährigen Hanel zum Jubiläum "60 Jahre Deutsche Welle" gewünscht, er regte auch die Themenfelder Europa, Bonner Republik und Deutsche Einheit an.

Mit Helmut Schmidt als deutscher Napoleon steigt die Schau Mitte der 70er Jahre ein, um dann entscheidende Momente der deutschen Geschichte kritisch aufzuspießen: Flick-Affäre und Franz Josef Strauß als Krake ("Hat jemand Angst?"), Willy Brandts Sturz und FDP-Wende, Agenda 2010, Europa im Rollstuhl und Steinbrücks SPD-Kompetenzteam, das von der Flut weggespült wird; der Bürger surft auf der "Westerwelle" und geht unter; bei der Zeichnung "Old Germany" kommen auf eine junge Mutter mit Kinderwagen fünf Greise.

Der in Bensberg lebende Hanel, der unter anderem 20 Jahre für die FAZ und 15 Jahre für den Spiegel gezeichnet hat, beherrscht nicht nur tagespolitische Spitzen, sondern auch die feine gesellschaftliche Bestandsaufnahme und die bissige Society-Satire. Die mit 85 Blättern üppig geratene Schau zeigt auch private, freie Zeichnungen. Die sind oft düster, verstörend, apokalyptisch - als seien es pessimistische Repliken auf den Meister Hieronymus Bosch.

Deutsche Welle; bis 30. August, täglich 10-17 Uhr

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