Kommentar zum Verhalten Saudi-Arabiens Doppelt pervers

Wie lange noch will das saudische Regime die Geduld seiner westlichen Verbündeten missbrauchen? Die Massenhinrichtungen vom Wochenende sind charakteristisch für die doppelte Perversität des wahhabitischen Königreiches: Menschenrechte werden im Namen der Scharia in obszön-demonstrativer Form missachtet - und in einer von Terror, Krieg und Massenflucht geprägten Region wird immer weiter gezündelt.

Das Regime in Riad demütigt die schiitische Minderheit im eigenen Land, führt Krieg im Jemen und fordert den Iran heraus, der sich gerade dem Westen öffnet - und vielleicht provoziert man ja gerade deshalb dieses Land, das eine Schlüsselrolle im Syrien-Konflikt spielt. Am Bürgerkrieg dort, am Aufstieg der IS-Terrormiliz haben vermeintlich private Stiftungen mit saudischem Geld ohnehin genug Anteil. Jetzt, wo das Feuer die Brandstifter bedroht, greift man mit aller archaischen Grausamkeit durch, die das islamische Recht zu bieten hat. Dieser Steinzeit-Islam, der nur wenig milder ist als die Praktiken des IS, stellt die ideologische Basis einer Monarchie dar, die ihre Legitimation aus der Herrschaft über die zentralen Pilgerorte des Islam herleitet.

Wie lange will sich der Westen das alles noch bieten lassen? Antwort eins: Ob er will oder nicht, in gewissen Grenzen muss er das bis auf weiteres hinnehmen. Kein vernünftiger Politiker will ein Machtvakuum auf der arabischen Halbinsel. Das gilt unabhängig von der Bedeutung der saudischen Ölquellen, die schon einmal größer war als heute. Es ist immer noch besser, einen dekadenten und brutalen, aber politischer Rationalität nicht unzugänglichen Familienclan in Riad an der Macht zu sehen als IS-Terroristen. Gerade wegen der Labilität des Systems sind wir zur Zusammenarbeit verdammt.

Antwort zwei: Weil die Ölprinzen rationale Interessen verfolgen, muss man sie hieran packen. Unsere Hilfe muss ihren politischen Preis haben. Stattdessen stellen wir Riad zum Beispiel durch Waffenexporte Blankoschecks aus. Gut, dass das westliche Ausland zumindest die Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr sofort verurteilt hat.

Nach zwei unbefriedigenden Antworten noch eine Frage: Wo bleiben eigentlich die islamischen Verbände in Deutschland? Was sagen sie zu den widerwärtigen Praktiken der Hüter ihrer heiligen Stätten? Nur ein kleiner schiitischer Verband hat sich gestern zur Hinrichtung al-Nimrs gemeldet. Auch als der Blogger Raif Badawi ausgepeitscht wurde und eine fanatisierte Menge dazu "Gott ist groß" rief, war von muslimischen Funktionären kein Protest zu hören. Wurde hier nicht der Name Gottes geschändet? Die saudische Herrscherclique ist auf den lukrativen Pilgertourismus angewiesen. Also sollten westliche Muslime den Saudis klarmachen, dass sie ihr Verhalten nicht als islamisch legitimiert anerkennen. Hoffentlich jedenfalls tun sie es nicht.

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