Missbrauchsprozess vor dem Landgericht Bonn Lehrer soll Schülerin zum Sex überredet haben

Bonn · Ein Lehrer aus Bonn steht wegen sexuellen Missbrauch und versuchter gefährlicher Körperverletzung einer 14-jährigen Schülerin vor dem Landgericht. Beim Prozessauftakt wurde ihm vorgeworfen, das Mädchen zum Sex überredet und mit Syphilis angesteckt zu haben.

 Das Landgericht Bonn.

Das Landgericht Bonn.

Foto: dpa

Der Mann auf der Anklagebank wirkt attraktiv und ist lässig gekleidet: Zum schwarzen T-Shirt trägt er ein Sakko und ein dezentes Stoffarmbändchen. Vor sich hat er nicht nur eine 57-seitige Erklärung liegen, sondern auch ein kleines, beiges Madonnenfigürchen aufgebaut. Der ehemalige Lehrer einer weiterführenden Bonner Schule muss sich seit Mittwochmorgen wegen sexuellen Missbrauchs einer 14-Jährigen sowie versuchter gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht verantworten.

Am Dienstag, dem 15. Mai 2018 – so begann der 57-Jährige seinen gut dreieinhalbstündigen Vortrag – sei eine Schülerin mit den Worten „Sie müssen mit mir über ein Problem sprechen“ an ihn herangetreten. Es gehe um etwas „ganz Schlimmes“, das sie bereits mehrfach getan habe. Bei dem „ganz Schlimmen“ habe es sich um ihre Vorliebe für ältere Männer gehandelt, zu denen sie online Kontakt gesucht hätte. Schnell sei ihm klar gewesen, dass er auch selber ins Beuteschema der Jugendlichen falle; erste Avancen will er aber zunächst abgewehrt haben.

Angeklagter schildert seine Sicht

In der Folge habe sich dann aber doch schnell ein echtes Liebesverhältnis ergeben. Das sei keineswegs auf Sex beschränkt gewesen: Vielmehr habe der Philosophie- und Geschichtslehrer mit der damals 14-Jährigen auch über Heidegger diskutieren können und ihr auf dem Flügel vorgespielt. Weil ihm mögliche rechtliche Konsequenzen, die aus dem Lehrer-Schüler-Verhältnis resultierten, völlig klar gewesen seien, habe er sich umgehend vom Schuldienst beurlauben lassen und sei erst danach die Beziehung zu der Minderjährigen eingegangen. Auch habe er sich vor dem ersten Sexualkontakt auf Geschlechtskrankheiten untersuchen lassen und mit der Jugendlichen über mögliche Gefahren gesprochen.

Dieses Video ist Teil einer Kooperation zwischen dem GA und dem WDR.

Das negative Attest der damaligen Untersuchung legte er dem Gericht vor. Trotz der erwiesenen Freiheit von Geschlechtskrankheiten habe man beim Sex dennoch immer Kondome benutzt. Die Beziehung sei von Anfang an auf Dauer ausgelegt gewesen. Er als der Reifere habe ihr gesagt, dass sie sich immer auf ihn verlassen könne. Sollte sie aber das Bedürfnis haben, die Beziehung zu beenden, zum Beispiel, weil sie einen Gleichaltrigen kennengelernt habe, sei sie jederzeit frei zu gehen. Dennoch wollte man das Verhältnis zunächst vor der Familie des Mädchens geheimhalten.

Als jedoch dessen Schwester ein Handy entdeckte, das er ihr geschenkt hatte, um Kontakt zu halten, habe er die Gelegenheit genutzt, um der Familie die Beziehung zu offenbaren. Eine zunächst überraschenderweise positive Reaktion der Mutter habe sich dann aber als Finte herausgestellt, und weitere Treffen seien mit Hilfe des Jugendamtes unterbunden worden. Seither sei das Mädchen wohl von ihrer Familie, aber auch von den Ermittlern unter Druck gesetzt worden, gegen ihn belastende Aussagen zu machen. Weil sie zwischenzeitlich angenommen haben soll, dass er sich von ihr losgesagt habe und sie sich dafür habe rächen wollen, habe sie sich zu einer weiteren Falschbehauptung hinreißen lassen: In der Anklage heißt es, der Mann habe mehrfach ungeschützten Geschlechtsverkehr mit dem minderjährigen Mädchen gehabt. Eine Erkrankung an Syphilis soll er dabei verschwiegen haben. In einem von ihm unter Tränen verlesenen Brief, den das Mädchen ihm am 5. September geschickt haben soll, soll das Mädchen angeblich seine schweren Vorwürfe widerrufen haben.

Vorwürfe des Angeklagten an Ermittlungsbehörden

Im weiteren Verlauf seines umfangreichen Vortrags, der in weiten Passagen wie eine Mischung aus philosophischem Vortrag und juristischem Seminar klang, richtete er schwere Vorwürfe an die Ermittlungsbehörden: Er werde mit Kinderschändern in einen Topf geworfen, obwohl sexuelle Beziehungen zwischen mindestens 14-Jährigen und Volljährigen in Deutschland grundsätzlich nicht strafbar seien. Zudem sei die sexuelle Initiative immer von der Jugendlichen ausgegangen. „Ich war von Anfang bis Ende das retardierende Element“, sagte er. Jüngere Frauen hätten ihn zudem nie zuvor interessiert. Er habe hauptsächlich gleichgeschlechtliche Sexualkontakte gepflegt und hin und wieder auch Beziehungen zu älteren oder gleichaltrigen Frauen gehabt.

Auch sei er, anders als von der Anklage behauptet, an der Schule nicht als Vertrauenslehrer eingesetzt gewesen. Auch von einer Manipulation mit großzügigen Geschenken könne keine Rede sein: Die erwähnte angeblich hochwertige Brosche habe auf einem Flohmarkt ganze 30 Euro gekostet. Und bei den erwähnten Handys handele es sich ausschließlich um Billigmodelle, mit denen man habe Kontakt halten wollen. „Du wirst immer meine wahre Liebe sein. Ich freue mich so auf meinen 18. Geburtstag“, soll es in einem Whatsapp-Chat vom 8. September heißen.

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