Rhein in Flammen 2012 Mit Eisfüßen zum Feuerwerk

BONN · Frikadellen. Zu Rhein in Flammen nehmen wir immer Frikadellen mit. Doch der Blick morgens um 11 Uhr aus dem Küchenfenster macht alles andere als Lust auf Picknick beim Feuerwerk. Es regnet in Strömen. Die Tochter lässt nicht locker.

"Das haben wir doch immer so gemacht", sagt sie. Auch eine 13-Jährige kann traditionsbewusst sein. Seufzend beugen wir uns unserem Schicksal. Dabei hat Sophia in diesem Jahr mit einer anderen Tradition gebrochen: Wenn wir sonst immer mit mehreren Familien mit Kind und Kegel ans Beueler Rheinufer zum Feuerwerk-Gucken gezogen sind, geht es dieses Mal auf die Bonner Seite in die Rheinaue.

Da trifft sich vornehmlich die Jugend. Aus dem Kind ist ein Teenie geworden. Mit acht, neun Freundinnen hat sie sich dort verabredet. Leider ist man aber mit 13 doch noch etwas zu jung, um allein auf weiter Flur zu feiern. Der eigene Papa und der Vater von Sophias Freundin Alea (13) sind so nett. Trotz Fußball: Sie gehen mit. Um 17 Uhr ist Treffpunkt bei Klassenkameradin Nora. Es wird dann doch sechs. Glücklicherweise. Das Warten in der Kälte aufs Feuerwerk dauert später auch so noch lange genug.

Ungewöhnlich leer ist um diese Zeit der U-Bahnsteig am Hauptbahnhof. Die vielen in Warnwesten gekleideten Helfer der Stadtwerke langweilen sich sichtlich. Ein älteres Ehepaar will ebenfalls zum Feuerwerks-Spektakel in die Rheinaue. Ausgerüstet ist es wie für eine Schnee-Expedition.

Rhein in Flammen: Familienspielefest
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[kein Linktext vorhanden]"Wir kommen extra aus Höxter. Jetzt sind wir einmal da und lassen uns vom Wetter die Laune nicht vermiesen", sagt die Frau energisch. Dann füllt sich die Linie 66 doch recht gut. Es sind vor allem Jugendliche, die meisten aber älter als unsere Mädels. Viele holen eine Flasche Bier aus dem Rucksack. Die SWB-Leute wirken jetzt doch ziemlich angespannt. Alkohol in den Bahnen sehen sie gar nicht gern. Das kann ja noch heiter werden.

Am Treffpunkt angekommen sind es dann doch nur vier Freundinnen, die mitgehen: Nora, Sophia, Alea und Katharina. Bei dem Wetter ist der Schwund nicht verwunderlich. Nur die Harten kommen in den Garten. "Oh, so viel Platz!" Die Mädels sind freudig überrascht. Auf der großen Wiese am Rheinauensee, gleich gegenüber der Stelle, wo später das Feuerwerk abgezündet wird, herrscht gähnende Leere.

So viel freie Auswahl an Logenplätzen, das gab es wohl noch nie. "Ihr bleibt mal schön hier oben", weist Sophia die Väter an. Aufsicht muss zwar sein. Aber der Blickkontakt auf 20 Meter Entfernung tut's auch. Die Decke ausgerollt - die mit dem Nässeschutz - und schon haben es sich die vier bequem gemacht. "Ihr wollt doch wohl nicht die ganze Zeit jetzt hier sitzen bleiben", fragen die Väter mit Blick auf die Uhr.

[kein Linktext vorhanden]Die zeigt gerade sieben. Noch gut vier Stunden bis zum Feuerwerk. Und die Finger sind schon ganz schön klamm. Langsam kriecht die Kälte auch unter die Klamotten. Die Mädchen setzen ihre schönsten Gesichter auf: "Kriegen wir ein bisschen Geld? Für Pommes und Kirmes?" Aber die Frikadellen... - "Die könnt ihr essen", rufen sie und rennen schnell über die Wiese zu Nessy, der Riesenschaukel.

Na ja, ein bisschen mehr Umsatz sei den Schaustellern und Budenbetreibern auch gegönnt. Die machen zu dieser Stunde fast alle nur lange Gesichter, weil kaum Kundschaft da ist. "Ich stehe hier schon den ganzen Tag herum", sagt eine Lederwarenverkäuferin, "so mau war das Geschäft noch nie." Katharina und Sophia haben Glück. Beim Kauf ihrer Fruchtcocktails bekommen sie sogar Rabatt. Offensichtlich ist die Verkäuferin an dem Stand froh, dass überhaupt jemand bei den Temperaturen exotische Säfte trinken will.

[kein Linktext vorhanden]Es dämmert. Inzwischen haben die Mädchen Gesellschaft bekommen. Das Hin- und Hersimsen hat sich gelohnt. Vier Jungen aus ihrer Clique haben sich überreden lassen und sind doch noch gekommen. Auch die beiden Väter oben auf ihren Campingstühlen haben jetzt eine Gesprächspartnerin an ihrer Seite. Sylvia Hollmann aus Hagen. Die 52-Jährige hatte bei einem Besuch der Romy-Schneider-Ausstellung in der Bundeskunsthalle von Rhein in Flammen gelesen. "Ich war einmal vor Jahren hier, das wollte ich noch einmal erleben", schwärmt sie, "Bonn hat wirklich viel zu bieten."

Die Väter haben inzwischen eisige Füße. Endlich. Punkt 23.15 geht es los. Die Raketen schießen in den Nachthimmel und formen leuchtende Bilder. Die Wiese hat sich schlagartig mit Menschen gefüllt. Aus den Lautsprechern erklingen passend zu den teilweise karnevalistisch anmutenden Feuerwerks-Formationen rheinische Lieder. Unsere Jugendlichen sind begeistert: Das Warten hat sich echt gelohnt. Sylvia aus Hagen hat sich bei einer Sitznachbarin untergehakt. Und schunkelt sich jetzt einfach warm.

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