Nach den schweren Krawallen Lannesdorf unter Schock

LANNESDORF · So sehr sich der strömende Regen am Sonntagmorgen auch zu bemühen scheint, die Spuren der Verwüstung von den Lannesdorfer Straßen zu spülen, so wenig löst er die Schockstarre, in der sich der Stadtteil am Tag nach den schweren Krawallen durch radikalislamische Salafisten noch spürbar befindet.

Um acht Uhr früh herrscht in der Bäckerei an der Ellesdorfer Straße bereits reger Betrieb. Doch das Brötchenholen gerät heute zur Nebensache. In den Gesichtern der Kunden steht noch der Terror, den die Randalierer erst Stunden zuvor verbreitet hatten.

Verwüstete Vorgärten, zerbrochene Fensterscheiben und schlichtweg verschwundene Jägerzäune, von den Gewalttätern zu Schlagstöcken umfunktioniert, erinnern an die Szenen des Vorabends, als sich die Fanatiker hier eine Straßenschlacht mit der Polizei lieferten.

Den Supermarktparkplatz gegenüber nutzten die Ordnungshüter schließlich, um dort die festgenommenen Tatverdächtigen notdürftig zu sammeln, nun ist auch er verlassen. "Ich lebe seit 40 Jahren hier, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt", beginnt der Kassierer der Tankstelle seine Erlebnisse zu schildern. Ringsum habe "einfach nur Chaos" geherrscht, sagt er.

"Als die Kämpfe mit der Polizei begannen", flüchteten mehrere Frauen mit Kindern zu mir in die Tankstelle, alle weinten vor Angst. Es war gespenstisch". Er selbst habe schließlich aus Sorge vor möglichen Brandsätzen die Zapfsäulen verriegelt und die Tankstelle abgeschlossen, berichtet er.

Die von Demonstranten verwüstete Toilette erscheint ihm da als das kleinere Übel - ähnlich wie der wirtschaftliche Verlust, den die Zwangsschließung mit sich bringt. Praktisch ohne Kunden hatten zeitweise auch Supermärkte dagestanden, denn vom Verkehr war das Gebiet um die Ellesdorfer Straße nahezu abgeschlossen. Bis spät in den Abend hinein hatten Polizeitrupps Grundstücke, Gärten und Hinterhöfe durchkämmt, um weitere Verdächtige festzunehmen.

Hatte das Gros der - zum überwiegenden Teil friedlichen - Demonstranten nach Auflösung der Veranstaltung den Heimweg angetreten, so ließ die Nachricht, dass vermummte Gruppen marodierend durch den Ort zögen, seitens der Polizisten Schlimmes erahnen. Immer wieder wurden mutmaßliche Gewalttäter von Beamten abgeführt.

Durch Bad Godesberg schrillten stundenlang die Martinshörner der nachrückenden Polizeieinheiten und der zahlreichen Rettungsdienste, die zur Versorgung von Verletzten benötigt wurden. Derweil verfolgten verängstigte Anlieger entlang der Ellesdorfer Straße und ihren Seitenstraßen das Geschehen fassungslos von ihren Wohnungen aus.

Einen besonderen Einsatz schildert die Einsatzleitung von einem Hochhaus im Bereich Honnefer Straße/Im Gries, wo sich Zeugenaussagen zufolge eine Gruppe von Randalierern in einer Etagenwohnung verschanzt haben sollte. Eine umfassende Durchsuchungsaktion des Gebäudes war die Folge, auch hier soll es Festnahmen gegeben haben.

Doch obwohl der Bad Godesberger Süden inzwischen für salafistische Betätigungen bekannt ist, kam der Großteil der Gewalttäter offenbar von außerhalb: Von den 109 festgenommenen Personen stammen 20 aus Bonn und Umgebung. Der Rest, darunter auch der mutmaßliche Messerstecher, war laut Polizei aus unterschiedlichen Regionen der Republik nach Lannesdorf angereist.

Das mag die Anwohner mit Blick auf ihr Wohnumfeld zwar ein wenig beruhigen. Zunächst aber haben sie den Schaden. Laut Polizei wurden neben Vorgärten und Zäunen auch Privatautos beschädigt. Den gesamten Sonntag über zeigt die Polizei in Lannesdorf Präsenz und steht dabei auch für geschädigte Bürger zur Verfügung.

"Unsere Kollegen nehmen alle Anzeigen entgegen", sagt ein Sprecher. Auch am heutigen Montag will die Polizei in Lannesdorf eine Anlaufstelle einrichten.Ob und inwieweit wirklich Täter für die Schäden zur Verantwortung gezogen werden können, steht derzeit aber in den Sternen.

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