Gewerkschaften schlagen Alarm Bonner Polizei macht mehr als 100.000 Überstunden

Bonn · Theoretisch müssten Überstunden innerhalb von drei Jahren abgebaut werden, was jedoch häufig nicht gelingt. Polizei-Gewerkschaften befürchten, dass zahlreiche Arbeitsstunden verfallen könnten und fordern deshalb politische Lösungen.

 Bei Großveranstaltungen wie dem Rosenmontagszug fallen für die Einsatzkräfte häufig Überstunden an.

Bei Großveranstaltungen wie dem Rosenmontagszug fallen für die Einsatzkräfte häufig Überstunden an.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Bonner Polizei arbeitet rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr. Die Herausforderungen steigen, schon die tägliche Arbeit ist laut Gewerkschaften kaum zu bewältigen. Hinzu kommen noch Sondereinsätze bei Demos oder Großveranstaltungen sowie die Arbeit in Ermittlungsgruppen.

Die Folge sind eine kaum übersehbare Anzahl an Überstunden, die jeder Beamte anhäuft. Egal ob bei Schutzpolizei, Kripo oder in der Direktion Verkehr: Bei der Bonner Polizei, bei der rund 1200 Polizeibeamte arbeiten, liegt die Zahl der Überstunden insgesamt bei mehreren 10.000, sagte Sprecher Robert Scholten auf Anfrage. Nach GA-Informationen bewegt sie sich sogar im sechsstelligen Bereich.

Eine hochrangige Polizistin aus Gelsenkirchen kann ihre rund 1200 Überstunden nicht abbauen, bevor sie pensioniert wird. Ein Szenario, das auch den Bonner Beamten drohen könnte, befürchten Gewerkschaften, die ohnehin schon länger Alarm schlagen und die Überlastung anprangern.

Gewerkschaft: Bisher ist keine politische Lösung in Sicht

„Wir haben Kollegen in der Einsatzhundertschaft, die weit über 1000 Überstunden haben“, beschreibt Dirk Lennertz. Die Überstunden würden im Vertrauen darauf geleistet, „dass sie später entweder finanziell oder durch Freizeit vergütet werden“, so der Chef der Bonner Gewerkschaft der Polizei (GdP). Nach drei Jahren allerdings können sie verfallen. Auch in Bonn. Wenn das NRW-Innenministerium nicht bis Ablauf des Jahres eine Lösung schafft, so Lennertz. Die aber sei bislang nicht in Sicht.

Das Problem an der Situation: „Baut der eine seinen Mehrdienst ab, müssen Kollegen einspringen“, sagt Lennertz. Das wiederum erzeuge neue Überstunden. Oder aber die Arbeit bleibe liegen, „was auch keine Lösung sein kann“.

„Es ist nicht fünf vor, es ist zehn nach zwölf“

Das sieht Hermann-Josef Borjans vom Bund Deutscher Kriminalbeamter genauso. Das Personal werde verschoben, es würden lediglich Löcher gestopft. „Die Arbeit wird nicht weniger, sie wird nur auf immer weniger Schultern verteilt“, so Borjans. Es gebe Fälle, in denen Beamte ein Jahr vor ihrer Pensionierung massiv beginnen müssten, die Überstunden abzubauen. „Dann fehlt nicht nur das Fachwissen, sondern auch das Personal.“

Seine Forderungen: Um die Kripo zu entlasten, müsse die spezielle Ausbildung für Kriminalisten wieder eingeführt werden. Diese sei wichtig, „um das Verständnis zu entwickeln“. Denn: Kripo und Schupo seien zwei verschiedene Berufungen. Darüber hinaus müssten die Einstellungszahlen von derzeit 2500 auf 3000 weiter angehoben werden, so Borjans. Denn: „Es ist nicht fünf vor, es ist zehn nach zwölf.“

Behörde arbeitet mit einem Überstunden-Warnsystem

Grundsätzlich wäre es möglich, dass Überstunden verfallen, so Scholten. Trotz Dreijahresfrist aber sei dies in den vergangenen Jahren nicht der Fall gewesen, weil das Innenministerium per Erlass auf die „Einrede der Verjährung“ verzichtet habe. Zumindest, was die angeordneten Mehrarbeitsstunden, die zum Beispiel bei Sondereinsätzen anfallen, angeht. Diese kann man sich auszahlen lassen oder durch Freizeitausgleich abbauen.

Anders sieht es bei den Überstunden im Zuge der gleitenden Arbeitszeit aus. Diese kann man nur ausgleichen, in dem an anderen Tagen weniger gearbeitet wird. „Gemäß der Arbeitszeitverordnung verfallen hier Stundenguthaben von über 120 Stunden zu einem jährlich festgelegten Stichtag“, so Scholten. Allerdings gelinge es in fast allen Fällen, das zu verhindern. Dafür sorge ein entsprechendes Warnsystem, das die Mitarbeiter frühzeitig informiere.

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