„Man darf kein Weichei sein" Ärztin aus Hennef operiert ehrenamtlich in Vietnam

Hennef · Birgit Schulz aus Hennef gibt ihr Wissen in Vietnam an Ärzte weiter. Dort herrschen im Operationssaal ganz andere Bedingungen als in Deutschland.

Birgit Schulz ist nicht besonders groß. Doch ihr Durchsetzungsvermögen ist beeindruckend. Sie ist alles andere als empfindlich, nimmt kein Blatt vor den Mund und sagt offen ihre Meinung. Die 53-Jährige aus Hennef hat viel erlebt und ist viel gereist – vor allem nach Vietnam. Dort lebt nicht nur ihr Lebenspartner. Sie engagiert sich in dem Land auch ehrenamtlich: Jedes Jahr führt sie im Universitätsklinikum orthopädische Operationen durch und leitet Fortbildungen für Ärzte.

Schulz ist Oberärztin im Diakonie Klinikum Bethesda in Freudenberg bei Siegen und operiert dort überwiegend Schultern und Ellenbogen. Sie hat es in ihrem von Männern dominierten Fachgebiet weit geschafft. 2016 bekam sie ein Zertifikat der Deutschen Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie (DVSE). Deutschlandweit vier weitere Frauen erhielten diese Auszeichnung – und 104 Männer.

Vorträge in China und den USA

„Man darf kein Weichei sein, sonst kommt man nicht durch. Man muss ein bestimmtes Naturell dafür haben und sich durchkämpfen“, erklärt Schulz. So sei es in allen Berufsfeldern. Sie selbst sei anfangs auf viele Kongresse allein wegen ihres Geschlechts nicht eingeladen worden. Das ist heute anders: Schulz hält Vorträge in China, hospitiert in den USA und besucht Kongresse in Shanghai.

2001 flog sie zum ersten Mal nach Vietnam. Ihr ehemaliger Chef half dort gelegentlich bei Operationen. Schulz begleitete ihn auf einer Reise und lernte so das asiatische Land und seine medizinische Versorgung kennen. „Ich bin völlig blauäugig dort hingefahren und habe schnell gemerkt, dass es deutlich anders ist als in Deutschland“, sagt die 53-Jährige. Sie habe mit einer Minimalausstattung operiert, musste teils selbst Instrumente basteln und ohne Implantate arbeiten. „Es gab keine Bohrmaschine. Wir mussten mit der Hand bohren, was natürlich deutlich länger dauert.“

Immer wieder musste sie solche Notlösungen finden und improvisieren. „Mit wenigen Sachen doch etwas hinbekommen – das können Vietnamesen sehr gut. Als ich einmal wusste, dass es anders ist, kam ich damit zurecht“, sagt sie. Jedes Jahr fliegt sie in ihrem Urlaubs auf eigene Kosten ein bis zwei Mal nach Vietnam, um zu operieren und mittlerweile vor allem um Fortbildungen zu leiten. Doch nicht nur das: Für drei Monate empfängt sie jedes Jahr zwei vietnamesische Ärzte, die sie als Assistenzärzte im Diakonie Klinikum begleiten.

Bohrmaschine aus Spenden finanziert

„Es gibt viele Ärzte, die ab und zu in Drittwelt- oder Schwellenländern Operationen durchführen, aber es kommt selten vor, dass Ärzte aus diesen Ländern zu uns kommen können. Ich finde, das bringt den Vietnamesen noch viel mehr“, sagt Schulz. Unterkunft und Verpflegung stellt das Diakonie Klinikum, den Flug müssen die Vietnamesen selbst bezahlen. In ihrer Heimat verdienen sie 300 bis 400 Dollar im Monat, weswegen sie auf die finanzielle Hilfe ihrer Familie angewiesen sind – und diese auch bekommt. Das sie in Vietnam selbstverständlich.

Ihr Ehrenamt macht Birgit Schulz glücklich und hat ihr beigebracht, mit wenig zurechtzukommen. Dadurch könne sie bei Operation viel besser auf Unvorhersehbares reagieren. Die Verhältnisse in vietnamesischen Krankenhäusern hätten sich inzwischen deutlich verbessert. Eine Bohrmaschine habe sie aus Spenden finanzieren können und auch andere Instrumente bringe sie aus Deutschland mit, wie etwa ein hierzulande veraltetes Kamerasystem für Arthroskopie, das noch funktionsfähig ist.

Ein Ende ihrer ehrenamtlichen Arbeit kommt für Schulz nicht in Frage. Da ihr Partner, den sie im durch das Projekt kennengelernt hat, in Vietnam lebt, wird sie noch oft in das Land fliegen. Und auch ihre Arbeit dort macht sie glücklich: „Man kann mit so wenig so viel auslösen. Es ist kein groß organisiertes Projekt, wir haben kein Riesenbudget. Und doch bringt es schon sehr viel.“

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