"Es ist das Golf der Arbeiterklasse"

Dart trifft momentan in die Herzen der Deutschen. Die 1896 in England erdachte Sportart fasziniert hierzulande ungemein. Das Finale der Dart-Weltmeisterschaft in der Nacht zu vergangenem Montag erzielte Traumquoten für eine vermeintliche Randsportart: 1,39 Millionen Deutsche sahen live im Fernsehen zu.

 "Beim Abwerfen kann ich schon fühlen, wo der Pfeil hingeht": Georg Jansen.

"Beim Abwerfen kann ich schon fühlen, wo der Pfeil hingeht": Georg Jansen.

Foto: Axel Vogel

Der nach eigenem Bekunden einzige noch verbliebene Steeldartsverein im Rhein-Sieg-Kreis - sie werfen mit Stahlspitzenpfeilen auf die gute alte Dartscheibe anstatt auf einen Automaten (E-Dart) - existiert in Meckenheim. Das Tomburg-Dartteam ist seit 30 Jahren der Faszination der fliegenden Pfeile erlegen. Mit Georg Jansen, Pressesprecher des Vereins, sprach Mario Quadt.

Die Dart-Weltmeisterschaft hat viele Menschen förmlich elektrisiert. Haben Sie das Championat der Weltbesten verfolgt?

Georg Jansen: Selten. Ab und zu habe ich während der WM zugesehen. Ich bin aber nicht der Typ, der beim Sport nur zuguckt, ich muss lieber mitmachen.

Wie sind Sie auf diesen Sport gekommen?

Jansen: Ich hatte beruflich in England zu tun. Im Wohnzimmer der Eltern einer britischen Kollegin habe ich das erste Mal auf eine Dartscheibe geworfen. Ich habe die Partie gegen den Vater der Kollegin gewonnen, woraufhin er mir das Dartboard schenkte. Das Brett habe ich mit nach Deutschland nehmen dürfen. Als ich zurück war, habe ich geschaut, wo ich spielen kann. Nicht in einem Sportgeschäft, sondern in einem Waffengeschäft in Bonn habe ich meine ersten Dartpfeile gekauft.

Wer Dartsport betreibt, muss offensichtlich ganz gut Kopfrechnen können. Waren Sie in der Schule ein Mathe-Ass?

Jansen: Nö. Rechnen hat mir allerdings immer gelegen. Ein Händchen für Zahlen hatte ich immer, außerdem habe ich einen kaufmännischen Beruf gelernt. Im Prinzip sind es beim Dart ja auch immer die gleichen Zahlen, mit denen man hantieren muss. Beispiel: Treffe ich die "Triple 18", sind das dreimal 18 also 54 Punkte. Ins Rechnen kommt man nur, wenn dem Kontrahenten einige Glückswürfe gelingen.

Apropos Werfen: Wieso sehen bei Ihnen alle Würfe so aus wie an der Schnur gezogen?

Jansen: Beim Abwerfen kann ich schon fühlen, wo der Pfeil hingeht. Ist Ihnen während der WM aufgefallen, dass selbst die Profis oft ihren ersten Wurf auf den schwarzen äußeren Kranz - von uns Lakritz genannt - setzen? Das ist kein Unvermögen, sondern der Versuch, ein Gefühl für den Wurf zu bekommen. Das präzise Werfen war übrigens nicht immer so: Im ersten Jahr unserer Zugehörigkeit zur Bonner Dartliga haben wir Tomburg-Darter den Fairnesspokal abgestaubt, weil wir eben nicht alles getroffen haben, aber immer fair geblieben sind. Danach waren wir so motiviert, dass wir auch mal gewonnen haben.

Welche Zielgruppe spricht das Tomburg-Dartteam an?

Jansen: Leute, die Spaß haben wollen. Dart ist das Golf der Arbeiterklasse, heißt es nicht zu Unrecht. Beim Dart treffen sich alle Berufe, alle Altersgruppen und alle Finanzklassen.

Was macht Sie seit fast 30 Jahren "Geil auf Pfeil", wie eine Boulevardzeitung nach dem WM-Finale schrieb?

Jansen: Dart ist ein Konzentrationsspiel sondergleichen - der perfekte Ausgleich für jeden Beruf. Das WM-Finale dauerte drei Stunden. Wer da die Konzentration verliert, der hat verloren. Was mich fasziniert: Es gibt in unserer Sportart keinen Neid. Ich habe bei Spielen noch nie erlebt, dass es zu unfairen Szenen oder unpassenden Kommentaren gekommen wäre - im Gegenteil. Oft kommt es vor, dass sich die Spieler gegenseitig Tipps geben.

Was entgegnen Sie denjenigen, die der Meinung sind, Dart sei ein Kneipensport?

Jansen: Wir spielen in einem eigens abgetrennten Raum von "Krümmel's Restaurant" - nicht in der Kneipe. Die allermeisten Mitglieder trinken heute Abend Fassbrause oder Kaffee, weil sie mit dem Auto hier sind und weil Alkohol während des Spiels nicht gut ist. Außerdem legen wir im Verein immer sehr viel Wert auf Familie. Unsere Zusammenkünfte sind immer mit Ehepartnern und Kindern. Wir überlegen uns da richtig was. Ein Beweis für unseren Zusammenhalt ist, dass wir im Gegensatz zu sicherlich vielen Sportvereinen sehr viele langjährige Mitglieder in unseren Reihen haben.

Zur Person

Georg Jansen (56) begann 1987 im Tomburg-Dartteam, einem im Rheinbacher Ortsteil Wormersdorf gegründeten und nunmehr in Meckenheim ansässigen Verein, mit dem Dartsport. Eine Legende aus Vereinskreisen besagt, dass Jansens erste Tochter mit exakt dem gleichen konzentrierten Gesichtsausdruck auf die Welt kam, den Jansen, der als Maler und Lackierer arbeitet, während eines Dartwurfs an den Tag legt. Neben seinem Engagement als Dartspieler - der Verein spielt in der Bezirksliga Nordrhein Nord - frönt Jansen auch dem Kampfsport. Seit 35 Jahren betreibt er Kung-Fu.

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