Lärmbelästigung Die Nachtruhe ist heilig

WACHTBERG · Bonner Fachanwälte erklären, welche nächtlichen Geräuschquellen hinzunehmen sind und was dabei zu beachten ist. Anlass ist ein Fall in Wachtberg-Pech, wo sich eine Nachbarin von der nächtlichen Belieferung eines Geschäfts gestört fühlt.

Die Nachtruhe eines Bürgers gilt gemeinhin als „heilig“. Das findet auch eine Hausbesitzerin aus Wachtberg-Pech, die sich seit rund acht Monaten zweimal pro Woche um ihren Schlaf gebracht sieht. Und zwar durch einen Lastwagen, der in ihrer Nachbarschaft auf der Pecher Hauptstraße einen Betrieb mit Ware beliefert. Der Gewerbetreibende sagt dagegen, die Geräuschkulisse bewege sich innerhalb der zulässigen Grenzen. Ob das so ist, muss die Siegburger Kreisverwaltung klären (der GA berichtete). Grundsätzlich bleibt die Frage, wann Geräusche wo zu Lärm werden?

Jörg Schneider, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und Leiter der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht im Bonner Anwaltverein, stellt fest: Die Nachtruhe ist aus Sicht des Gesetzgebers ein heiliges Gut. Das lasse sich allein an der Vielzahl der Vorgaben erkennen. „Die Nachtruhe wird in NRW grundsätzlich von dem Landesimmissionsschutzgesetz geschützt (LImSchG NW)“, sagt Schneider: „Die Lärmschutzvorschriften anderer Bundesländer enthalten aber ähnliche oder teilweise gleiche Vorschriften.“ Ergänzt würden diese Vorschriften durch Regelungen des Bundesimissionsschutzgesetzes (BImSchG).

Hinzu könnten noch konkrete Lärmschutzvorschriften aus Satzungen der Gemeinden kommen, etwa wenn in bestimmten Gebieten ein abweichender und strengerer Schutz gelten soll. „Ein Schutz vor Lärm als Immission ist auch durch die Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung zu erreichen“, führt der Jurist aus.

Unstrittig ist für Ralf Schweigerer, Vorsitzender des Bonner Anwaltvereins und ebenfalls Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht: „Ruhestörender Lärm gehört zu den häufigsten Gründen im Nachbarschaftsstreit“, sagt Schweigerer: „Er führt aber auch zur Auseinandersetzungen im Mietrecht.“ Ein zentrales Problem sei, „dass Menschen die Intensität von Geräuschen unterschiedlich, höchst subjektiv empfinden.“

Wann etwas genau zu Lärm wird, ist aus Jörg Schneiders Sicht eine schwierige Frage. Das hänge auch damit zusammen, „dass es eine allgemeingültige Definition nicht gibt“. Als Orientierung werde vielfach jedoch die TA Lärm oder weitere spezielle Vorschriften herangezogen wie die Richtlinien des VDI Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), Arbeitsausschuss Lärm 2058. Zu beachten sei zudem die 32. BImSchV (Geräte- und Maschinenlärmschutz-Verordnung). „Alle Werke bis auf die 32. BImSchV haben keinen Gesetzesrang und sind damit nur eine erste Grundorientierung“, erklärt Jörg Schneider: „Sowohl die öffentlich-rechtlichen als auch die zivilrechtlichen Abwehransprüche stellen auf die 'Erheblichkeit' der Immission ab.“ Bei Überschreiten der Immissionswerte sei grundsätzlich eine erhebliche Beeinträchtigung anzunehmen. Der Störer, also der Grundstücksinhaber, von dem die Immission ausgeht, müsse dann beweisen, dass die Beeinträchtigung im Ausnahmefall zu dulden ist.

Maßgebend ist für Schneider auch, wo es zu Lärm oder Krach kommt, und welchen Ursprungs das Geräusch ist. So darf nach der TA Lärm der höchstzulässige Grenzwert in einem Industriegebiet bei 70 dB (A) liegen in einem Gewerbegebiet, bei tagsüber 65 dB(A) und nachts bei 50 DB (A). In Kern-, Dorf- und Mischgebieten bei tagsüber 60 dB(A) und nachts bei 45 dB (A).

Weit strenger sind die Grenzen etwa in reinen Wohngebieten: Hier sind tagsüber nur noch 50 dB (A) erlaubt und nachts 35 dB(A).

Ob etwas zu Lärm beziehungsweise Krach wird, hängt laut Fachjurist Schneider auch damit zusammen, ob sich um gewerblichen oder nicht-gewerblichem Lärm handelt. Dabei gilt laut Schneiders Kollegen Ralf Schweigerer: „Nicht zwangsläufig jeder Lärm ist gleichbedeutend mit einer Ruhestörung.“ Man muss zunächst „unterscheiden, ob der Lärm vermeidbar ist oder nicht.“

Hundegebell in der Nacht könne etwa vom Tierhalter unterbunden werden und gelte somit, wie das OLG Brandenburg in einem Urteil vom 11.07.2010 (5 U 152 / 05) entschied, als Störung der Nachtruhe. „Demgegenüber wird auch nicht als Ruhestörung angesehen, wenn ein Hahn in ländlichen Gegenden morgens im Sommer gegen 3 Uhr kräht“, stellt der Fachjurist klar. (LG Kleve vom 17. Januar 1989, 6 S 311/88).

Aushalten müsse ein Nachbar oder Mieter auch nächtliches Duschen im üblichen Zeitrahmen. Ebenso: Ruhestörungen durch ein Neugeborenes, der übliche Straßenlärm, Musizieren bis zu zwei Stunden und selbst eine Party, sofern sie nach 22 Uhr in Zimmerlautstärke stattfindet.

Immer wieder laut Schneider Glockenläuten diskutiert. „Dieses ist keine lärmverursachende Quelle nach dem BImSchG, so dass es im Rahmen der gemeindlichen Ausübung hinzunehmen ist.“. (BVerwG, Urteil vom 07-10-1983 – 7 C 44/81): „Das bedeutet jedoch nicht, dass uneingeschränkt geläutet werden darf.“

Vieldiskutiert sei auch der Lärm von Sportstätten, so Jörg Schneider weiter: „Hier regelt die 18. BISchVO die erlaubten Lärmwerte sowie die Möglichkeit der Abweichung bei herausgehobenen Veranstaltungen.“

Was für gewerblichen Lärm wie besagte Nachtanlieferungen in Wachtberg-Pech gilt: „Diese sind nicht grundsätzlich untersagt“, sagt Fachanwalt Jörg Schneider. Zunächst sei nämlich die Belieferung auf der Straße selbst ein stets hinzunehmender Lärm, der mit dem Betrieb der Straße selbst einhergehe.

„Die Anlieferung von Gewerben zur Nachtzeit muss differenziert untersucht werden“, führt er aus: „Hier ist zunächst fraglich, ob die Anlieferung noch unter die TA Lärm fallen können, da es sich bei der Anlieferung nicht um die Anlage als solche handelt, sondern nur Geräusche, die nicht zum Betrieb der Anlage gehören.“ Sowohl die TA Lärm als auch die VDI 2056 seien auf diese dem Grunde nach nicht anzuwenden, so Schneider weiter: „Diese grundsätzliche Regelung wird von einigen Gerichten jedoch durchbrochen.“ Hier würden die wesentlichen Inhalte der Vorschriften für die Einzelfallprüfung mit Indizwirkung angewendet. Schneider verweist vor allem auf eine Entscheidung des OLG Koblenz (Urteil vom 25.01.1989 – 7 U 1686/87).

Bei einem Fall wie in Pech empfiehlt Schneider ein Lärmgutachten, das die Lärmquellen zu- und einordnet: „Dabei ist aber darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des BGH für den zivilrechtlichen Abwehranspruch auch die Häufigkeit der Anlieferung, die Dauer der Anlieferung, der Umgebungslärm und die Geräusche der Umgebung eine Rolle spielen.“

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