Bundeswehr Mehr Geld für die Truppe

Berlin · Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels fordert in seinem Jahresbericht ein Ende der Mangelwirtschaft bei der Bundeswehr und eine Wende in der Verteidigungspolitik.

Es gehört zu den zentralen Aufgaben des Wehrbeauftragten, sich bei der Bundesregierung zu beschweren. Zu Anfang jedes Jahres weist er in einem Bericht auf sämtliche Missstände hin, die ihm bei seinen Truppenbesuchen aufgefallen sind oder die Soldaten an ihn herangetragen haben. Er ist so etwas wie der Kummerkasten der Streitkräfte. Schon in den vergangenen Jahren fiel die Kritik des Wehrbeauftragten ziemlich kernig aus. So weit wie Hans-Peter Bartels gestern ging aber selbst sein für offene Worte bekannter Vorgänger Hellmut Königshaus nicht.

Der Jahresbericht für 2015 ist nicht nur eine Mängelliste, sondern vor allem ein politisches Statement. SPD-Politiker Bartels, der vor neun Monaten noch Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Bundestag war, fordert nicht weniger als eine Wende in der Verteidigungspolitik, eine Reform der vor sechs Jahren vom CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg angestoßenen Reform der Streitkräfte.

„Die Truppe ist es leid“, sagt Bartels. Die Schrumpfkur der letzten 25 Jahre müsse ein Ende haben. Ohne mehr Geld und mehr Soldaten könne die Bundeswehr ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen. Bartels beklagt sich über drei große Baustellen:

Seit 1990 ist die Bundeswehr von fast 600 000 auf 177 000 Soldaten geschrumpft. Heute hat sie aber so viele unterschiedliche Aufgaben wie nie zuvor in ihrer 60-jährigen Geschichte. Das passt nicht zusammen.

Bei der Ausrüstung herrscht nach Ansicht des Wehrbeauftragten eine „planmäßige Mangelverwaltung, die alle Bereiche betrifft – vom Kampfstiefel bis zum Kampfhubschrauber. Das gefährde Ausbildung, Einsätze und Übungen.

Die Kasernen sind marode. 2014 wurde festgestellt, dass nur rund die Hälfte der 3000 Truppenunterkünfte in gutem oder mittlerem Zustand sind. Jede zehnte war unbewohnbar. Ein Hunderte Millionen Euro schweres Sanierungsprogramm reicht laut Bartels nicht aus und wird zu langsam umgesetzt.

Die harsche Kritik richtet sich zwar an die Bundesregierung, aber nicht in erster Linie an Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Der CDU-Politikerin spielen die harschen Worte sogar in die Hände. Sie lässt gerade prüfen, ob es zusätzlichen Personalbedarf gibt. Das Ergebnis soll spätestens im Frühjahr vorliegen. Es gilt aber jetzt schon als sicher, dass von der Leyen dem Kabinett eine Aufstockung der Truppe vorschlagen wird.

Auch für eine Erhöhung des Verteidigungsetats setzt von der Leyen sich ein. Einen kleinen Erfolg hat sie bereits erzielt. Innerhalb der nächsten vier Jahre steigt der Etat von 33 auf 35 Milliarden Euro. Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt sinkt nach Angaben des Wehrbeauftragten aber von 1,16 auf 1,07 Prozent. Das von Deutschland mitbeschlossene Nato-Ziel liegt bei zwei Prozent. Auch das dürfte für von der Leyen eine Argumentationshilfe sein.

Ob die Bundeswehr tatsächlich mehr Geld und Personal benötigt, ist aber umstritten. Wegen des Abzugs aus Afghanistan sank die Zahl der im Ausland eingesetzten Soldaten im vergangenen Jahr auf 2500 Soldaten, den niedrigsten Stand seit den 90er Jahren. In diesem Jahr könnte die Zahl wieder auf 5000 steigen.

Das sind dann aber immer noch nicht einmal halb so viele wie zu Hochzeiten, als die Bundeswehr auf dem Balkan und in Afghanistan gleichzeitig sehr stark engagiert war. Im Jahr 2002 nahmen 10 400 deutsche Soldaten an Auslandseinsätzen teil. Die größte Belastung waren für die Bundeswehr in den letzten Monaten aber nicht die Auslandseinsätze, sondern die Flüchtlingshilfe bei Einsätzen im Inland.

Was sich deutlich geändert hat, ist das Bedrohungsgefühl in der Bevölkerung und damit auch die Akzeptanz von Investitionen in Sicherheit und Verteidigung. Deswegen haben Forderungen wie die des Wehrbeauftragten auch recht gute Chancen. „2016 kann und sollte für die über Gebühr geschrumpfte Bundeswehr personell, materiell und finanziell das Wendejahr werden“, verlangt er. (dpa)

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