Interview mit der CDU-Vorsitzenden Kramp-Karrenbauer: "Bestimmt sind auch Fehler passiert"

BERLIN · Annegret Kramp-Karrenbauer zieht nach 100 Tagen als CDU-Vorsitzende eine erste Bilanz. Im Interview spricht sie über die Zusammenarbeit mit Kanzlerin Angela Merkel, das Europawahlprogramm ihrer Partei und die Zukunft der großen Koalition.

 Seit 7. Dezember 2018 Bundesvorsitzende der CDU: Annegret Kramp-Karrenbauer.

Seit 7. Dezember 2018 Bundesvorsitzende der CDU: Annegret Kramp-Karrenbauer.

Foto: picture alliance/dpa

Frau Kramp-Karrenbauer, am Sonntag sind Sie 100 Tage CDU-Vorsitzende. Was war in dieser Zeit die größte Herausforderung nach dem Sieg über Friedrich Merz?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Nach diesem knappen Ergebnis die Partei zu einen und den Schulterschluss mit der CSU zu suchen.

Was war Ihr größter Fehler in diesen 100 Tagen?

Kramp-Karrenbauer: Bestimmt sind auch Fehler passiert, aber keiner hat zu größeren Verwerfungen geführt.

Sie haben anstelle der Kanzlerin auf Emmanuel Macron geantwortet. Frankreich, Deutschlands engster Freund in Europa, reagiert spärlich auf Ihre Haltung unter der Überschrift „Europa richtig machen“. Wird die CDU mit Ihnen die Konservativen in Europa stärken?

Kramp-Karrenbauer: Mein Text schreibt die europapolitischen Position der CDU fort, die die Bundeskanzlerin im vorigen Jahr dargelegt hat, er greift Punkte aus unserem geplanten Europawahlprogramm auf und ist eine Zusammenfassung unserer grundsätzlichen Haltung zu europapolitischen Fragen. Und ich sehe es als meine Aufgabe als Vorsitzende an, eigene CDU-Vorstellungen deutlich zu machen. Es gab schon immer auch Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich. Daraus hat sich trotzdem immer gemeinsame Dynamik entwickelt. Diese Aufgabe bleibt.

War der Text mit Angela Merkel abgesprochen?

Kramp-Karrenbauer: Sie hat ihn vorher von mir erhalten.

Welche Schwerpunkte wird das Europawahlprogramm von CDU und CSU haben?

Kramp-Karrenbauer: Es geht um unsere Vorstellungen von einem starken Europa, das Frieden und Sicherheit gewährleistet, aber auch Wohlstand und Zusammenhalt garantiert. Europa steht vor großen sicherheitspolitischen und ökonomischen Herausforderungen. Europa muss sich im Systemwettbewerb behaupten. Wir erleben Protektionismus in Amerika und eine umfassende soziale Kontrolle in China. Das Europawahlprogramm der Union wird einen eigenständigen europäischen Weg aufzeigen, den wir gehen wollen.

Was sind Ihre Forderungen?

Kramp-Karrenbauer: Wir wollen Schengen vollenden. Das heißt, die Außengrenzen möglichst lückenlos zu schützen, Frontex zu stärken und als operative Grenzschutzpolizei einzusetzen. Wir müssen genau wissen, wer nach Europa ein- und wieder ausreist. Wir brauchen zudem eine bessere Zusammenarbeit in der Verteidigung, die Vereinbarkeit von Klimaschutz mit wirtschaftlichem Wachstum und individueller Mobilität sowie die Förderung der Künstlichen Intelligenz.

Kommt Ihre Ultima Ratio – notfalls Grenzschließungen im Falle einer Situation mit Flüchtlingen wie 2015 – ins Europawahlprogramm?

Kramp-Karrenbauer: Wir nehmen nur die europapolitischen Ergebnisse unseres Werkstattgesprächs zu Migration, Grenzschutz und Asylpolitik auf. Die entscheidende Lehre aus 2015 ist doch, dass es uns nicht wieder passieren darf, von einer Entwicklung der Flüchtlingszahlen überrascht zu werden. Damals haben wir in einer Drucksituation aus guter politischer Abwägung meines Erachtens richtig gehandelt. Heute ist die Situation eine andere. Erstens, was die Zahlen angeht, die deutlich nach unten gegangen sind, und zweitens, weil wir aus den Erfahrungen von 2015 gelernt haben.

Geht das Duo Merkel/Kramp-Karrenbauer noch zwei Jahre gut?

Kramp-Karrenbauer: Wir tragen politische Verantwortung auf unterschiedlichen Ebenen, aber mit dem gleichen Ziel. Das funktioniert aus meiner Sicht sehr gut und ich sehe keinen Grund, warum sich das ändern sollte.

Hat es hinter den Kulissen schon geknirscht?

Kramp-Karrenbauer: Es hat auch schon in der Vergangenheit mal geknirscht. Das ist völlig normal und auch nicht anders geworden seit ich Parteivorsitzende bin. Trotzdem läuft es weitestgehend reibungslos.

Wird es bei einem Bruch der großen Koalition Neuwahlen geben?

Kramp-Karrenbauer: Ich spekuliere nicht über den Bruch der Koalition, sondern bemühe mich als Vorsitzende der sie tragenden Partei um ihren Erfolg. Abgesehen davon setzt die Verfassung Parlament und Regierung zu recht sehr hohe Hürden. Eine gewählte Regierung und die sie tragenden Parteien stehen vor dem Wähler in der Verantwortung, für Stabilität zu sorgen.

Zur Halbzeit soll Bilanz gezogen werden. Wie zuversichtlich sind Sie?

Kramp-Karrenbauer: Auf Wunsch der SPD ist im Koalitionsvertrag eine Überprüfung der Arbeit der Regierung im Sommer vorgesehen. Mit Blick auf die sich eintrübende Konjunktur und die Haushaltslage wird es dabei auch um die Frage gehen, ob der Koalitionsvertrag darauf die richtigen Antworten gibt. Man muss jetzt genau auf die nächste Steuerschätzung und die weiteren Wirtschaftsdaten schauen. Wir sind auch davon abhängig, wie es mit dem Brexit und dem Handelsstreit zwischen den USA und China weitergeht. Wenn sich die Lage zuspitzt, kann es sein, dass wir schon im Sommer andere Antworten benötigen.

Bislang standen die Zeichen auf höhere Sozialausgaben. Hat der Koalitionsvertrag die richtigen Antworten auch für schlechtere Zeiten parat?

Kramp-Karrenbauer: Wenn sich die Konjunktur abschwächt, brauchen wir für die Wirtschaft Impulse, damit die Dynamik erhalten bleibt. Dafür benötigen wir Entlastungen für Unternehmen und müssen Innovationen vorantreiben. Die zentrale Frage wird sein, ob die mittelfristige Finanzplanung diese Schwerpunkte abbildet.

Kann es sein, dass Sie in der Sozialpolitik dann die Ausgabenbremse ziehen müssen?

Kramp-Karrenbauer: Für mich gilt der Grundsatz, dass Finanzmittel erst erwirtschaftet werden müssen, bevor man sie ausgeben kann. Wenn wir nicht mehr genug erwirtschaften, um unsere sozialpolitischen Vorhaben zu finanzieren, dann ist die logische Konsequenz, dass wir Wirtschaftswachstum und damit Einnahmen stimulieren müssen und nur dann weitere Ausgabenvorhaben umsetzen können.

Sie haben stark polarisierende Reaktionen ausgelöst mit ihrem Karnevalsscherz über die Toiletten von Intersexuellen. Haben Sie die Gelegenheit verpasst, Ihre Worte klarzustellen?

Kramp-Karrenbauer: Ich habe in Demmin beim Aschermittwoch alles Nötige dazu gesagt. Das Stockacher Narrengericht ist eine derbe Ausgabe von Fastnacht. Wer die gesamte Veranstaltung und meine Rede gesehen hat, weiß, dass es um das Verhältnis zwischen Männern und Frauen, um Spott gegenüber Machos, Softis und Emanzen und absolut nicht um Intersexuelle ging. Wenn man das mit der Debatte um Doppelnamen und Indianerkostüme zusammennimmt, muss man feststellen, dass wir inzwischen Diskussionen führen, die ein Großteil der Bevölkerung nicht mehr nachvollziehen kann.

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