Drohnen für die Bundeswehr Der anonyme Angreifer

BERLIN · Braucht die Bundeswehr bewaffnete Drohnen? Verteidigungsministerin von der Leyen folgt einer Experten-Anhörung und will sich positionieren.

Es ist der 10. Juli 2010. Ein Gefechtsfeld in Nordafghanistan. Eine Einheit der Bundeswehr steht unter massivem Beschuss feindlicher Kräfte. Und erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg bekommen deutsche Soldaten den Befehl, "artilleriescharf" zu schießen, wie der damalige Kommandeur des deutschen Einsatzkontingentes ISAF, General Hans-Werner Fritz, rekapituliert.

Es dauert 16 quälend lange Minuten, bis Luftunterstützung für die kämpfende Truppe am Boden eintrifft und ein Übergewicht schafft. Fritz sagt: "Ein Soldat weiß, wie lange eine Minute sein kann, in der möglicherweise der Tod eintritt." Er fügt dann noch hinzu: "Wenn wir eine Drohne drüber (über dem Kampfgebiet, d.Red.) gehabt hätten, wäre mir das lieber gewesen."

Generalleutnant Fritz ist heute Befehlshaber des Einsatzführungskommandos in Potsdam, das die deutschen Auslandseinsätze koordiniert. Fritz sitzt gerade in Saal 4900 des Paul-Löbe-Hauses in Berlin, wo der Verteidigungsausschuss Fragen des Einsatzes auch bewaffneter Drohnen diskutiert und dazu Experten hört. Fritz ist einer von ihnen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nimmt sich eigens zwei Stunden Zeit, Pro- und Contra-Argumente des Einsatzes von (Kampf-)Drohnen zu folgen. Noch in dieser Woche, so war in Medienberichten vor der Anhörung die Erwartung geweckt worden, sollte eine Entscheidung von der Leyens in der höchst umstrittenen Frage der Beschaffung von Kampfdrohnen angeblich anstehen.

Doch nach der Anhörung äußert sich die Verteidigungsministerin erkennbar verhalten. Es gehe um den Schutz von Soldaten, aber eben "nicht um autonome Killer-Drohnen". Und weiter: "Ich selbst möchte in dieser Woche dazu Position beziehen." Damit muss die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt noch lange keine Entscheidung über den Drohnenkauf meinen, zumal auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber nach der Sitzung des CDU-Präsidiums betont, "dass es dafür derzeit keinen Handlungsbedarf gibt".

Aber: Deutschland müsse sehr wohl darüber diskutieren, wie es Drohnen zur Feindaufklärung und zum Schutz eigener Soldaten im Einsatz nutzen wolle. Zumal auch Experten in der Anhörung dafür plädieren, die Debatte über Drohnen unabhängig von einer möglichen späteren Beschaffung erst einmal zu führen. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Hans-Peter Bartels (SPD), ist grundsätzlich skeptisch zur Bewaffnung der Bundeswehr mit Kampfdrohnen. Die Truppe habe für ihre Einsätze die Mittel, die sie brauche. Neue Aufgaben, die einen Kauf von Kampfdrohnen erforderlich machten, gebe es derzeit nicht.

Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, Oberstleutnant André Wüstner, führt den Abgeordneten vor Augen, dass Drohnen letztlich Soldatinnen und Soldaten schützten. Deswegen sei der Bundeswehr-Verband dafür. "Ein Verzicht auf Distanzwaffen gefährdet das Leben der eigenen Soldaten." Am Ende der Entscheidungskette aber müsse "immer ein Mensch" stehen. Voll automatisierte Drohnen seien abzulehnen.

Wüstner plädiert im Falle einer Beschaffung für eine "möglichst eigenständige Lösung", um unabhängig von Partnern zu sein. Auch der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, empfiehlt den Kauf von Kampfdrohnen. "Es bedarf schon guter Argumente, sie nicht einzuführen", betont Königshaus und verweist unter anderem auf Artikel 2 des Grundgesetzes (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit).

Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung verweist darauf, dass die "Bewaffnung unbemannter Systeme" das Potenzial besitze, eine militärische Revolution einzuleiten. Dieses Veränderungspotenzial zu unterschätzen, wäre ein großer Fehler. Das völlige Herauslösen von Piloten "aus jeglichem Risikokontext während der Kampfhandlung" sei ein radikaler Einschnitt.

Auch Marcel Dickow von der Stiftung Wissenschaft und Politik befürchtet, dass bei künftigen Waffensystemen die Steuerung durch den Menschen eine immer geringere Rolle spielen werde. Und Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen verweist darauf, dass der Drohneneinsatz "die Entwicklung autonomer Killer-Roboter befördere und noch schrecklichere Kriege" schaffe. Beim Drohneneinsatz seien schon Hochzeitsgesellschaften mit Kombattanten verwechselt worden - mit tödlichen Folgen.

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