Nikolaus Schneider Repräsentant der 23 Millionen Protestanten gibt Posten auf

BERLIN · Tiefes Entsetzen hat am Montagmorgen die Pressemitteilung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ausgelöst: "Nikolaus Schneider wird zum 10. November 2014 vom Amt des Ratsvorsitzenden zurücktreten und aus dem Rat ausscheiden."

 Mit seiner Ehefrau Anne im gemeinsamen Haus in Düsseldorf: Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, will sich ab Herbst um die an Krebs erkrankte Gattin kümmern.

Mit seiner Ehefrau Anne im gemeinsamen Haus in Düsseldorf: Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, will sich ab Herbst um die an Krebs erkrankte Gattin kümmern.

Foto: dpa

Der Grund: Anne Schneider, seit 1970 mit Nikolaus Schneider verheiratet, leidet an Krebs. Vor dem Rat der EKD sagte der ranghöchste Repräsentant der 23 Millionen Protestanten: "Die Begleitung meiner an Krebs erkrankten Frau macht den Rücktritt unerlässlich. Unserem gemeinsamen Weg will ich alle Zeit widmen. Dieser Wunsch ist mit meinen EKD-Ämtern nicht zu vereinbaren."

Gemeinsam kämpften Nikolaus und Anne Schneider vor über zehn Jahren gegen den Blutkrebs von Meike, der jüngsten der drei Töchter. Vor knapp zwei Jahren kämpfte Anne Schneider um das Leben ihres Mannes, der sich auf dem Flug nach Taizé eine Kopfverletzung zugezogen hatte. Nun kämpfen beide gegen den Krebs von Anne, der Realschullehrerin, die frühzeitig in den Ruhestand getreten war, um ihrem 2010 zum (ehrenamtlichen) EKD-Ratsvorsitzenden gewählten Mann beizustehen. Bis 2013 war er hauptamtlicher Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Reinhard Kardinal Marx, fand sehr persönliche Worte: "Mit Nikolaus und Anne Schneider bin ich seit vielen Jahren herzlich verbunden. Beide schätze ich als aufmerksame Gesprächspartner und treue Wegbegleiter." Nach dem Tod ihrer Tochter Meike haben beide ihr Tagebuch veröffentlicht.

Sie haben nie verhehlt, dass dieser frühe Tod ihren Glauben einer großen Belastung ausgesetzt hat. Zugleich wollten sie anderen Eltern in einer gleichen Situation Mut machen. Auch später haben sie gemeinsame Bücher veröffentlicht, Rede und Antwort in Talkshows über ihren Glauben gestanden.

Sie machten auch in der Öffentlichkeit keinen Hehl aus ihrer gegenseitigen Verbundenheit. Das überzeugte. Immer wieder berichtete Nikolaus Schneider, dass er seine Frau auch als intensivste Kritikerin schätze. Die Religionslehrerin Anne Schneider las seine Reden, seine Aufsätze und gab ihre Meinung kund. Oft beschied er den Verfasser dieser Zeilen mit dem Hinweis: "Da müssen Sie Anne fragen."

Bis zum 10. November, dem Tag der Neuwahl des Ratsvorsitzenden, wird Schneider durch seinen Stellvertreter Jochen Bohl und die anderen Mitglieder des Rates weitgehend entlastet. Wie kein anderer evangelischer Pfarrer ist Nikolaus Schneider (von den Freunden schlicht Nico genannt) innerhalb der Kirche vernetzt. Das haben auch die zahlreichen Ämter mit sich gebracht, die der 66-Jährige ausgeübt hat: Pfarrer, Superintendent, Vizepräses, Präses, Vorsitzender des Diakonischen Werkes und des Evangelischen Entwicklungsdienstes, Mitglied des Rates der EKD und schließlich deren Vorsitzender.

Vor allem liegt Schneider die Ökumene und das Gespräch mit den Juden am Herzen. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, spricht für alle: "Wir wünschen dem Ehepaar Schneider für die schwere vor ihnen liegende Zeit viel Kraft aus dem Glauben und Gottes Trost und Segen."

Wechsel an der Spitze der evangelischen Kirche fällt in eine Zeit der Umbrüche

Mit dem Rücktritt zum 10. November ermöglicht der scheidende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, dem Rat und der Synode einen bruchlosen Übergang. Das Kirchenparlament kann bei seiner Sitzung in Dresden vom 9. bis 12. November einen Nachfolger in den Rat wählen, und dieser kann für das letzte Amtsjahr einen neuen Vorsitzenden bestimmen. Es wäre dann bereits der dritte in der seit 2009 dauernden laufenden Amtsperiode der EKD-Leitungsorgane.

Die seinerzeit mit großen Erwartungen gewählte Margot Käßmann trat bekanntlich nach nur vier Monaten zurück. Als Nachfolger könnte in Dresden der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (54) gewählt werden, der erst im vergangenen November in den Rat nachgerückt ist. Anders als der sächsische Landesbischof Jochen Bohl, der seit 2009 stellvertretender Ratsvorsitzender ist, böte er auch eine Perspektive über die laufende Amtsperiode hinaus, denn Bohl wird dem nächsten Rat aus Altersgründen nicht mehr angehören.

Der Wechsel erfolgt in einer Zeit der Umbrüche für die evangelische Kirche. Seit 2009 hat es in 15 der 20 Landeskirchen Wechsel bei den leitenden Geistlichen gegeben. In derselben Zeit verringerte sich die Zahl der Kirchenmitglieder um rund 1,5 Millionen auf 23,4 Millionen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort