Scheitern der Reformen von Papst Franziskus Vetternwirtschaft im Vatikan

ROM · Die Rede ist von einem "Krieg". Die beiden Fronten: Der Papst, der reformieren will, steht einem Verwaltungsapparat gegenüber, der jede Art von Wandel blockiert.

Will man dem neuen Buch des italienischen Enthüllungsjournalisten Gianluigi Nuzzi Glauben schenken, dann steht Papst Franziskus bei seinen Reformen im Inneren des Vatikans auch nach bald drei Jahren im Amt noch ganz am Anfang. "Alles muss ans Licht: Das geheime Dossier über den Kreuzweg des Papstes" lautet der Titel des Werks, das heute auch in Deutschland in den Buchhandel kommt. "Alles muss ans Licht" ist bereits Nuzzis dritter Aufsehen erregende Band über reservierte Vorgänge im Vatikan. Nach der Veröffentlichung von "Seine Heiligkeit" im Jahr 2012 wurde der Kammerdiener von Benedikt XVI., Paolo Gabriele, festgenommen. Ein Jahr später trat der deutsche Papst zurück.

Zusammen mit einer Veröffentlichung des italienischen Journalisten Emiliano Fittipaldi ("Avarizia"), die ebenfalls heute in Italien erscheint, machte die Nuzzi-Publikation schon in den vergangenen Tagen von sich Reden, als zwei mutmaßliche Informanten im Vatikan festgenommen wurden. Die Vatikangendarmerie verdächtigt den spanischen Monsignore Lucio Angel Vellajo Balda sowie die italienische PR-Agentin Francesca Chaouqui, vertrauliche Dokumente weitergegeben zu haben. Beide zählten zu einer inzwischen aufgelösten und von Papst Franziskus im Juli 2013 eingerichteten Kommission, die die Finanzen des Heiligen Stuhls durchleuchten und neuordnen sollte. Wie Nuzzi schreibt, hatte er Zugang zu "Tausenden Dokumenten" aus dem Archiv der Kommission.

Eine "arme Kirche für die Armen" hatte sich Franziskus zu Beginn seines Pontifikats im März 2013 gewünscht. Stattdessen sind den von Nuzzi veröffentlichten Dokumenten zufolge weiterhin Verschwendungssucht, Kungelei, Geheimbuchhaltungen und Klientelwirtschaft an der Tagesordnung im Vatikan. Es stellt sich die Frage, ob Franziskus zu echten Reformen angesichts dieser Verhältnisse auch knapp drei Jahre nach Amtsantritt überhaupt im Stande ist. Anspruch und Wirklichkeit klaffen im Vatikan weiter auseinander.

Nuzzi berichtet bekannte Episoden und Neues. In einem Aufsehen erregenden Gesprächsprotokoll aus dem Sommer 2013, das Nuzzi zitiert, liest Papst Franziskus den Kardinälen die Leviten. "Die Lage ist unvorstellbar ernst", soll der Papst in einer Besprechung zur Finanzlage festgestellt haben. "Ohne Übertreibung kann man sagen, dass ein großer Teil der Kosten außer Kontrolle geraten ist", sagt Franziskus. Im Sommer 2013 steht der Vatikan vor der Insolvenz.

Doch die Reformbemühungen werden blockiert. Der inzwischen pensionierte Kardinal Angelo Amato rückt die Unterlagen zu den Selig- und Heiligsprechungsverfahren nicht heraus, die offenbar Unmengen von Geld verschlingen. Ein einziges Verfahren kann bis zu 750 000 Euro kosten, die vor allem für Gutachten ausgegeben werden. Etwa 2500 solcher Fälle sind in Bearbeitung, Willkür und Klientelismus sind an der Tagesordnung.

"Die Wurzel unserer Probleme liegt darin, dass wir uns wie Neureiche verhalten, die ihr Geld wahllos ausgeben", wird der Papst in einem internen Vermerk zitiert. "Dabei verlieren wir aus dem Blick, wozu wir eigentlich da sind: Wir sollen mit dem Geld den Armen und Elenden helfen." Konkrete Ergebnisse bleiben offenbar bis heute aus. Auch die Verwendung der Spenden der Gläubigen für wohltätige Zwecke an den Papst macht stutzig. Etwa 30 Millionen Euro, mehr als die Hälfte des als "Peterspfennig" gespendeten Geldes, wird nach den Untersuchungen der Journalisten zum Stopfen von Löchern in den Kassen der Kurie verwendet.

Die Misswirtschaft im Vatikan hat über die Jahre alle vorstellbaren Grenzen gesprengt. Das vatikanische Rentensystem weist zeitweise ein Minus von bis zu 800 Millionen Euro auf. Auf die Namen verstorbener Päpste laufen bei der Vatikanbank weiterhin Konten. Die 1978 verstorbenen Paul VI. und Johannes Paul I. verfügen im Vatikan immer noch über erhebliche Mittel. Wer dieses Geld tatsächlich und zu welchem Zweck verwaltet, ist unklar.

Nuzzi zeichnet das Zerrbild einer "armen Kirche für die Armen". Lustvoll breitet er die Liste der Luxuswohnungen für sämtliche Kurienkardinäle aus, die kostenlos auf bis zu 500 Quadratmetern in bester Lage residieren. Das Buch dokumentiert Reichtum, Doppelmoral und Abgründe der Weltkirche. Wird Franziskus scheitern? Das ist eine Frage, die auch dieses Buch nicht beantworten kann.

Gianluigi Nuzzi: Alles muss ans Licht: Das geheime Dossier über den Kreuzweg des Papstes, Ecowin-Verlag 308 Seiten, 21,95 Euro

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