Fair gehandelte Weihnachtssterne Festtagsgrüße aus Ostafrika

Addis Abeba · "Ja klar", räumt Henk Jan Voskuil ein: "Das hier ist Massenproduktion. Aber es ist genau das, was unsere Kunden, die Gärtnereibetriebe und Auktionshäuser in Europa und den USA, wollen: einen einheitlichen Standard." Voskuil ist Generalmanager der Jungflanzen-Farm Red Fox im ostafrikanischen Äthiopien, etwa drei Autostunden von der Hauptstadt Addis Abeba entfernt.

 Mit den Fairtrade-Prämien werden rund um die Blumenfarmen soziale Projekte wie zum Beispiel Schulen gefördert.

Mit den Fairtrade-Prämien werden rund um die Blumenfarmen soziale Projekte wie zum Beispiel Schulen gefördert.

Foto: Hoegen

Red Fox gehört zur Dümmen Orange Group, dem weltgrößten Züchter von Jungpflanzen mit Sitz in Rheinberg am Niederrhein.

Sechs bis sieben Millionen Stecklinge für Poinsettien, besser bekannt als Weihnachtssterne, werden wöchentlich bei Red Fox produziert und nach Europa und in die USA geflogen. In Gärtnereien hierzulande folgt dann die Aufzucht der bis zu 40 Zentimeter hohen, blühenden Pflanzen. Weihnachtssterne aus Äthiopien werden so seit diesem Oktober erstmals in einigen deutschen Supermärkten verkauft - versehen mit dem Fairtrade-Siegel.

Mit Weihnachtsromantik allerdings hat die Produktion vor Ort in Ostafrika wenig zu tun. Sobald Besucher die strengen Hygienekontrollen durchlaufen, Kittel und Plastikhandschuhe übergestreift haben und durch die Desinfektionsschleuse gegangen sind, fällt ihr Auge auf ein schier endloses grünes Meer von Jungpflanzen - alle gleich lang und breit und alle in Reih und Glied angeordnet.

40 Hektar Gewächshausfläche mit insgesamt rund 50 Millionen Poinsettien und 100 Millionen Pelargonien-Stecklingen, 500 000 Jungpflanzen pro Halle - bei Red Fox in Äthiopien handelt es sich um eine regelrechte Pflanzenindustrie. Überwiegend weibliche Arbeitskräfte schneiden hier von den Jungpflanzen etwa 1200 Stecklinge am Tag.

Bei manchem Verbraucher, so weiß Manager Henk Voskuil, stößt dieses Geschäftsmodell auf Skepsis. Weihnachtssterne aus Massenproduktion, die aus Äthiopien eingeflogen werden - das soll klimafreundlich sein? Voskuil hält dagegen: Die Kosten für Flugbenzin machten nur rund 0,5 Prozent des Preises aus, den ein ausgewachsener Weihnachtsstern im Endverkauf erziele. Die Emissionsbelastung sei äußerst gering, so Voskuil: "Treibhäuser in Europa zu beheizen, kostet deutlich mehr Energie." Im sonnigen, fast mediterran anmutenden Klima Äthiopiens dagegen haben die Treibhäuser rund ums Jahr eine ideale Temperatur und dienen vor allem dazu, Schädlinge und Insekten draußen zu halten.

Dieter Overath, geschäftsführender Vorstandsvorsitzender von Fairtrade Deutschland, setzt noch eins drauf: "Es ist seltsam, dass wir als Exportweltmeister unsere Strategie "made in Germany" nie hinterfragen. Die Klimafrage wird immer nur gestellt, wenn etwas aus Afrika kommt. Wie aber soll sich Afrika entwickeln, wenn wir ihm jedes Produkt um die Ohren hauen?" Immerhin, so Overath weiter, sei die Blumenproduktion in Ostafrika inzwischen einer der Hauptarbeitgeber - insbesondere für Frauen in ländlichen Gebieten, die bislang kaum Einkommensmöglichkeiten hatten.

Mit Blick auf die Pestizid- und Wasserbelastung verweist Overath darauf, dass Fairtrade als Sozialsiegel im Blumenbereich auch viele Umweltkriterien aufgestellt habe. So müssen die Farmen nachhaltiges Pestizid- und Wassermanagement nachweisen. Nach und nach sollen auch bei Dümmen Pestizide reduziert und durch Mikrobiorganismen ersetzt werden. Ein geschlossenes Wasserkreislaufsystem, das den örtlichen Fluss nicht mehr belastet, wurde schon angelegt.

Bliebe noch die Frage nach der Monokultur. Besteht Gefahr, dass die Blumenproduktion in Äthiopien kleinbäuerliche Landwirtschaft verdrängt, wie etwa die Palmölproduktion in Asien? Auch da sieht man bei Fairtrade Deutschland kein Risiko. Overath: "Für Blumenproduktion ist kein fruchtbares Ackerland nötig, das kann auf vulkanischem Boden geschehen." Auch Red Fox hat sich auf einem früher brachliegenden Areal angesiedelt. Zudem sorge der Faire Handel, anders als bei konventionellen Blumenfarmen, für stabile Arbeitsbedingungen und feste Verträge.

Das Konzept scheint aufzugehen. Bis zu 2500 Mitarbeiter beschäftigt Dümmen in Äthiopien in der Hochsaison - und interessierte Bewerber gibt es viele. Das mag auch an den Löhnen liegen, die - je nach Position im Betrieb - zwischen 70 und 200 US-Dollar liegen, ein für Äthiopien vergleichsweise gutes Einkommen.

Mit der Fairtrade-Zertifizierung geht Dümmen jetzt noch einen Schritt weiter. Zwar mache der Umsatz mit dem Fairen Handel in dieser ersten Saison nur 0,25 Prozent des Gesamtverkaufs aus, sagt Firmenmitinhaberin Sonja Dümmen, aber das will man stetig steigern - auf ehrgeizige 25 Prozent. Ein Cent Fairtrade-Prämie pro Steckling - das sind laut Dümmen zehn Prozent des Stecklings-Ertrags - geht in soziale Projekte, die die Arbeiter bestimmen. Derzeit sind die Wünsche groß: Ein Krankenhaus zum Beispiel steht ganz oben auf der Liste. Dafür wird die gegenwärtig zu erwartende Prämie allerdings - noch - nicht reichen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort