Pumpwerk Siegburg Jörg Schulze rezitierte Gedichte von Kurt Tucholsky

SIEGBURG · Jörg Schulze veranstaltet keine Lesungen im klassischen Sinne, er rezitiert frei und trägt seine Gedichte wie in einem Gespräch mit dem Publikum vor. Mit Gedichten von Kurt Tucholsky brachte er am Sonntag im Pumpwerk politische und zeitkritische Werke eines der bedeutendsten Autoren der Weimarer Republik zu Gehör.

 Jörg Schulze füllt bei seinem Vortrag geschriebene Sprache mit Leben.

Jörg Schulze füllt bei seinem Vortrag geschriebene Sprache mit Leben.

Foto: Paul Kieras

Tucholsky hatte mit seiner scharfzüngigen Kritik an Gesellschaft, Politik, Militär, Justiz und Literatur sowie seinen Warnungen vor dem Nationalsozialismus stets Widerspruch hervorgerufen.

Jörg Schulze sucht den Augenkontakt, geht auf die Zuhörer zu und bezieht sie in die von ihm gewählte Lyrik ein. Lebendige Sprache ist ihm wichtig, nicht Schauspielerei. Er versuche, "mit der Stimme des Autors" zu sprechen, wie er sagt, wechselt - den Texten angepasst - ständig die Betonung und das Tempo, hält inne. So bekommen gedruckte Zeilen Lebendigkeit, die sich auf das Auditorium überträgt.

Nach seiner Auffassung sind Textsicherheit, gute Betonung und Artikulation unabdingbare Voraussetzungen für eine qualitätsvolle Rezitation. Aufgrund jahrelanger beruflicher Auseinandersetzung mit Fragen der Ästhetik wurde dem promovierten Architekten und Städteplaner deutlich, dass beim Aufbau und beim Hören guter Lyrik die gleichen Gesetzmäßigkeiten wirken wie bei der Wahrnehmung von Architektur, Kunst und Musik.

Erich Kästner bezeichnete Tucholsky 1946 als den Schriftsteller, "der mit der Schreibmaschine eine Katastrophe aufhalten wollte". Manche seiner Werke und Aussagen polarisieren bis heute, wie das Beispiel aus den 1990er Jahren zeigt, als eine Diskussion um seinen Satz "Soldaten sind Mörder" entbrannte.

Auf Schulzes Programmzettel stand am Sonntag unter anderem "Das Ideal", in dem es heißt: " Jedes Glück hat einen kleinen Stich. Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten. Dass einer alles hat: das ist selten." Gitarrist Zhenja Zhidkow rundete mit seinen musikalischen Einlagen den Vormittag im Pumpwerk des Kunstvereins für den Rhein-Sieg-Kreis ab, der Heiteres, Ernstes und viel Nachdenkliches bot.

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