Die USA und das Klima Amerikas langer Kampf um die Wende

Donald Trumps irrlichternde Kohle-Mission trifft ein in der Klimafrage tief zerrissenes Land. Doch bald werden die Abgehängten der weißen Unterschicht, Establishment-Gegner und Denkzettel-Wähler erkennen, dass ihr „starker Mann“ gegen die Zeitläufe nicht ankommt. Ein Blick auf die letzten Jahrzehnte.

Die USA bleiben ein Land mit großartigen Wissenschaftlern, insbesondere in der Klimaforschung. Ein twitternder US-Präsident mit Hang zu alternativen Fakten, der gerade die Welt in Aufruhr versetzt, wird daran wenig ändern. „Donald First“, die personifizierte Speerspitze einer „vorbildlichen“, weil erfolgreichen Populismus-Strategie, agiert gerade, als wolle er („Ich liebe die schlecht Gebildeten“) seiner Nation jegliche Innovationskraft rauben.

Überall streicht er gerade Fördermillionen für die Wissenschaft zusammen, insbesondere bei Klimaforschung und Umwelt. Der US-Physiker Lawrence Krauss sagte der „Welt am Sonntag“: „Im schlimmsten Fall haben die USA in Zukunft nur noch ein hochkarätiges Exportprodukt zu bieten – nämlich Waffen.“

Nun ist er also da – jener Messias der Abgehängten der weißen Unterschicht, Establishment-Gegner und Denkzettel-Wähler. Der rumänisch-amerikanische Politologe und Militärstratege Edward Nicolae Luttwak hatte es in seinem Buch „The Endangered American Dream“ (Der gefährdete amerikanische Traum) schon 1997 vorhergesagt.

Irgendwann, so Luttwak, würden sich die gesellschaftlichen Verlierer nach einem starken Mann umschauen, der ihnen ein besseres Leben verspreche – ohne Freihandel, ohne illegale Zuwanderer und ohne Konzerne, die Arbeitsplätze exportieren. Doch bald werden nicht nur die Kohlekumpel erkennen, dass auch ihr „starker Mann“ Donald Trump gegen die Zeitläufe nicht ankommt. Nicht gegen die Kreisläufe der Weltwirtschaft, nicht gegen wissenschaftliche Erkenntnisse.

Desinformationskampagnen steuerten die US-Bürger

Der Fokus auf Trump bei der internationalen Klimaschutzpolitik verstellt jedoch den Blick auf viele Skeptiker-Jahrzehnte. Denn vom ersten Tag der Klimadebatte an waren die USA ein in dieser Frage zerrissenes Land. Einerseits hat die größte Forschungsnation der Welt viele Pioniere und frühe Warner vor dem zusätzlichen Treibhauseffekt hervorgebracht, gleichzeitig aber auch eine weltweit beispiellose und von Lobbyisten gesteuerte Desinformationskampagne.

Ab 1989 sendete die GCC auf allen Kanälen und verunsicherte die Bürger: die 2002 aufgelöste „Global Climate Coalition“, ein Interessenverband zur organisierten Leugnung des Kliwawandels. „Die Leugnungsmaschine läuft auf Hochtouren“, berichtete damals das US-Magazin „Newsweek“ – und davon, dass Wissenschaftlern bis zu 10.000 Dollar pro Artikel angeboten wurden, wenn dieser die Erkenntnisse des UN-Weltklimarats IPCC untergrabe.

Heute reden viele Konzerne – ExxonMobil, Royal Dutch Shell, BP, Texaco, Ford, General Motors – nicht mehr gerne über ihre einstige Mitgliedschaft; einige sind heute heftige Kritiker Trumps. Zu dicht waren die Indizien für den Zusammenhang, dass die vom Menschen freigesetzten Treibhausgase die globale Erwärmung pushen; zu sehr eröffneten sich neue, preiswerte Energiehorizonte abseits von Kohle und Öl. Mit kreativen Kampagnen ließen sich da kaum noch Zweifel streuen.

Nach einer Studie der amerikanischen Union of Concerned Scientists (Vereinigung besorgter Wissenschaftler) investierte die GCC 16 Millionen Dollar in öffentliche Desinformation, etwa in einen Werbeclip, der über die Bildschirme in 15 US-Metropolen flimmerte. Auszug: „Jetzt wollen ein paar Politiker Kohlendioxid einen Schadstoff nennen. Stellen Sie sich vor, sie hätten Erfolg – wie würde unser Leben dann aussehen? Kohlendioxid ist kein Smog oder Rauch. Es ist, was wir aus- und Pflanzen einatmen. Warum macht man uns Angst?“

AfD-Logik: Mehr Kohlendioxid, weniger Welthunger

Hörte sich 1989 logisch an – und ist, findet die Alternative für Deutschland (AfD), auch 2017 logisch. Sie griff die alte GCC-Idee auf und wettert nun ebenfalls gegen Klimaschutz. Aus dem AfD-Parteiprogramm: „Kohlendioxid (CO2) ist kein Schadstoff, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens.“ Die Bundesregierung „unterschlage“ eine wichtige Erkenntnis – „die positive Wirkung des CO2 auf das Pflanzenwachstum und damit auf die Welternährung“. Mit mehr Kohlemeilern also den Welthunger besiegen? Nach dieser Logik für Einfaltspinsel kann ein Land sich auch jeglichen Hochwasserschutz sparen, weil Wasser elementar für das Leben ist.

Einige Lobbyisten in den USA haben immer noch nicht aufgegeben. Zuletzt hörten die US-Bürger, der Pariser Klimavertrag bedeute, dass jedes private Grillfest mit einer neuen Steuer belegt werde. Doch die amerikanische Öffentlichkeit hat ihre Meinung zum Klimawandel in den letzten Jahren geändert: Rund 70 Prozent sind inzwischen gegen einen „Ausstieg aus Paris“ und meinen, dass es sich um ein ernsthaftes Problem handele.

Diesen Meinungsschwenk hat jedoch nicht „mehr Glaube“ an wissenschaftliche Erkenntnisse bewirkt, sondern die spürbare Zunahme der Wetterextreme. Dürren, Überflutungen, Stürme. Alles immer heftiger. „In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Zahl extremer Wetterphänomene wie Wirbelstürme, Überflutungen oder Dürren in den USA fast verfünffacht“, heißt es in der Studie „Wetterrisiken Nordamerika“ der Münchener Rück.

Trump und einige republikanische Hardliner ficht das nicht an. Kaum war er gewählt, transferierten Klimaforscher ihre Gigabyte-Datengebirge von staatlichen Servern ins Asyl. Tage später tauchte der Begriff „Climate Change“ auf keiner Regierungs-Homepage mehr auf und hatte Trump der US-Raumfahrtagentur Nasa Klimaforschung verboten.

Aus Erfahrung klug. So könnte man das Verhältnis von US-Forschern zum Weißen Haus unter republikanischer Führung beschreiben. Spannungsfrei war es nie. George W. Bush wollte etwa 2002 die von Charles D. Keeling betriebene Kohlendioxid-Messstation auf dem Vulkan Mauna Loa auf Hawaii stärker an den Staat anbinden.

Doch Keeling & Co. rochen den Braten: Das könnte bald das Ende der unangenehmen Kurve bedeuten, denn ihre Station lieferte in einem sogenannten Reinluftgebiet (fernab vom Megacity-Verkehr) seit 1958 verlässliche Daten über den CO2-Gehalt der planetaren Durchschnittsluft. Und der stieg und stieg. Daraus wurde der wichtigste Umweltdatensatz des 20. Jahrhunderts.

Fast 60 Jahre lang immer die selbe Messung am selben Ort mit dem selben Infrarot-Gasanalysator. Als 26-jähriger Student hatte Keeling 1955 begonnen, für den damals nur theoretisch verdächtigen Warmmacher, das CO2 in der Lufthülle, eine standardisierte Messung zu entwickeln. Als Keeling 2005 starb, setzte sein Sohn Ralph, ebenfalls Ozeanografie-Professor, die Messungen fort – für die Kurve, die die Welt veränderte.

Zwei Jahre später, 1957 (Keelings Messungen hatten noch nicht begonnen), war es wieder ein Amerikaner, der allein aufgrund theoretischer Überlegungen die Welt warnte. Zu viel Kohle und Öl, zu viel Kohlendioxid, ein Spiel mit dem Feuer. Der Ozeanograf Roger Revelle sagte: „Die Menschen führen ein langfristiges Experiment aus, das in der Vergangenheit nicht möglich gewesen wäre und in Zukunft nicht wiederholbar sein wird.“ Die Mahnung umkreiste zwar den Globus, verhallte aber.

Geographie, Mobilität, Hitze und der große Durst nach Öl

Das Risiko eines zusätzlichen Treibhauseffekts durch menschliche Gasabfälle wird auch in den 1960er und 1970er Jahren und noch lange danach fast ausschließlich im Elfenbeinturm der Wissenschaft diskutiert. Auch in den USA, wo eine öffentliche Debatte ohnehin nur den American Way of Life stören würde.

Dann der Sommer 1988: Washington leidet unter extremer Sommerhitze. Dem 47-jährigen Physiker James E. Hansen, Direktor des Nasa Goddard Institute for Space Studies, erscheint das als pädagogisch richtiger Zeitpunkt. Er schafft es am 23. Juni in den US-Kongress und warnt in einer legendären Rede vor der globalen Erwärmung. Der Effekt in den USA ist bescheiden, das mediale Weltecho riesig. Jahre später wird Hansen einer der meist zitiertesten Klimaforscher der Welt sein.

Der Öldurst der USA steigt indes weiter. Es gibt jedoch eine quasi geographische Entschuldigung. Das Land ist groß, die Entfernungen riesig, das Bedürfnis nach gesicherter Mobilität elementar und mental etwas anderes als im dichtbesiedelten Europa mit seinem dichten Netz öffentlicher Verkehrsmittel.

Insofern wurde und wird ausreichend Öl für Sprit immer auch als Garant für die eigene Mobilität und als Teil der persönlichen Freiheit empfunden. Dazu die klimatische Lage des amerikanischen Südens: Mit seinen vielen Klimaanlagen kämpft er im Sommer gegen einen subtropischen Mix aus Andalusien und Nordafrika.

Trump will nun zurück zu alten Leugnerzeiten. Doch die sind vorbei und Wirtschaft und Kapitalströme längst zu neuen Ufern unterwegs. Nicht geläutert vom Klimawissen, sondern wirtschaftlich getrieben. Solar- und Windenergie sind in den USA auf Expansionskurs – und schaffen Jobs, wie auch die umstrittene Schiefergas-Gewinnung. Der Wind hat sich gedreht, und Trump erscheint mit seiner Kohle-Mission wie einer, der gegen Windmühlen kämpft.

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