Laredo gegen Trump Mauerbau? Nein Danke!

Wie und warum die texanische Stadt Laredo gegen das Vorzeigeprojekt des Präsidenten Donald Trump kämpft: Unser USA-Korrespondent hat sich diesseits und jenseits der Grenze zum Nachbarland Mexiko umgesehen und umgehört.

Das Jalapeño-Wett-Essen ist der kulinarische Höhepunkt, wenn die unmittelbar an der Grenze zu Mexiko gelegene texanische Stadt Laredo einmal im Jahr ihre Oberen gen Norden schickt, um zu erkunden, was die große Politik in Washington im Schilde führt.

Diesmal waren es aber nicht die scharfen Pfefferschoten, die Bürgermeister Pete Saenz und seiner Delegation den Schweiß auf die Stirn trieben. Sondern Donald Trumps Pläne für einen milliardenschweren Grenzwall entlang der 3000 Kilometer langen Demarkationslinie zwischen den beiden Staaten.

Laredo will diese Mauer nicht. Käme „the wall“, sagt der parteilose Bürgermeister Pete Saenz im Gespräch mit dem General-Anzeiger, dann wären die Stadt Laredo und ihre vom träge dahindümpelnden Rio Grande getrennte Schwester-Stadt Nuevo Laredo auf mexikanischer Seite einem „Desaster“ geweiht. „Die Mauer ist realitätsfremd. Sie zerreißt Familien und schädigt unsere Wirtschaft.“

Zur Unterstützung hat Saenz den Bürgermeister von Nuevo Laredo mitgebracht. Enrique Rivas’ Englisch ist nicht perfekt. Aber diesen Satz hat er drauf: „Handel ist unser Lebenselixier. Mauern gefährden auf beiden Seiten der Grenze die Zukunft.“

Trump hat selbst gesehen, dass die Mauer keinen Sinn macht

Eine Meinung, die im Süden von Texas viele Kommunalpolitiker unterschreiben. Jim Darling, Bürgermeister der 240 Kilometer entfernt gelegenen Stadt McAllen, sagt, dass Trumps Mauerplan „beim Durchschnittswähler in Michigan und Wisconsin gewiss als große Idee verfängt – aber sie sollten mal die Menschen hier an der Grenze fragen“.

Dabei hatte Ray Garner schon gehofft, das Thema sei abgehakt. 2015, in der Frühphase des Wahlkampfes, in der Donald Trump Mexiko bezichtigte, Vergewaltiger, tonnenweise Drogen und Zigtausende Illegale nach Amerika zu lassen, hat sich der Polizeichef von Laredo vor einer Kundgebung als Fremdenführer für den Milliardär aus New York betätigt. „Wir sind zum Fluss gefahren, damit er es selber sieht – die Mauer macht hier gar keinen Sinn.“ Garner weiß, wovon er spricht: Schließlich wurde er 1950 in Berlin geboren, jener Stadt, die 28 Jahre lang unter einer Mauer litt. „Wir brauchen in Laredo nuancierte Lösungen“, so der Polizeichef.

Was das heißt, wird jedem klar, der mit Bürgermeister Pete Saenz einmal auf der Terrasse der Grenzschutzbehörde in Laredo gestanden hat. Von dort kann man mit bloßem Auge das hektische Treiben auf den vier großen Brücken verfolgen, die hier zwei Welten gewinnbringend miteinander verbinden. Rund 17.000 Fußgänger, 25.000 Autos, 18.000 Zugwaggons und 14.000 Lastwagen pendeln hier täglich über die Grenze. Mit 200 Milliarden Dollar Güterumschlag pro Jahr ist Laredo der größte Binnenhafen Amerikas. Züge und Lastwagen haben jeweils eigene Brücken. Eine davon heißt „World Trade Bridge“.

"Der Fluss teilt uns nicht"

Die Arbeitslosenquote liegt unter fünf Prozent. Durch die Grenzgebühren fließen jedes Jahr 60 Millionen Dollar in die Stadtkasse. Geld, das Saenz investiert, um neue Attraktivität zu erzeugen. Unmittelbar am Rio Grande ist soeben ein Outlet-Einkaufszentrum entstanden. Es soll weit bis ins mexikanische Monterrey Kaufkraft anlocken. „Der Fluss teilt uns nicht“, sagt der Bürgermeister, „er bringt uns zusammen.“

Stimmt das? Eine Autofahrt mit Edgar Parra „nach drüben“ gibt Aufschluss. Der 45-Jährige Doppelstaatler ist der Verbindungsbeamte zwischen Laredo und dem mit 600 000 Einwohnern doppelt so großen Nuevo Laredo. Dort pulsiert das Leben zwischen Garküchen auf der Straße und Mariachi-Kapellen einige Grad heißer als bei den „Brüdern und Schwestern auf amerikanischer Seite“.

Vor sechs Jahren hielt ein Gangster dem Verbindungsbeamten Parra kurz hinter dem Grenzübergang durchs Autofenster eine Pistole an die Schläfe. Mitten auf einer Kreuzung. Pkw-Diebstahl auf mexikanische Art.

Parra führt seinen ausländischen Besucher ins Rathaus zu Jorge Vinals. Der Wirtschafts-Koordinator in Nuevo Laredo besitzt 25 Jahre Verhandlungserfahrung mit der amerikanischen Seite. Das von Donald Trump als Ursünde kritisierte Handelsabkommen Nafta zwischen den USA, Mexiko und Kanada, das in der Grenzregion sechs Millionen Arbeitsplätze geschaffen habe, hält er für einen „Segen“.

Dem Boom droht der Stillstand

Er träumt von einer „echten regionalen Freihandelszone, ohne Pässe, ohne Restriktionen.“ Mit einem US-Präsidenten Donald Trump ist das undenkbar. Und jetzt? Vinals macht Trumps Androhung einer hohen Strafsteuer auf Waren, die von Amerikas verlängerter Werkbank Mexiko aus in die USA transportiert werden, am meisten Sorgen. „Das würde den Boom hier zum Stillstand bringen.“

Mit Fundamental-Opposition gegen den neuen mächtigen Mann in Washington ist es nicht getan. Laredo alt und Laredo neu haben sich darum auf eine innovative Sprachregelung verständigt, mit der man in Washington die Klinken putzt: „virtuelle Mauer“. Das bedeutet: Kein Bauwerk aus Beton und Eisen. Sondern mehr technische Überwachung durch Kameras und Sensoren. Mehr Grenzschützer. Und vielleicht einen Kontrollpfad am innerstädtischen Ufer des Rio Grande.

Das würde es den Ordnungshütern leichter machen, falls doch mal ein „Coyote“ hier seine menschliche Fracht an Land bringen will, sagt Sheriff Garner. Er meint die Schlepper, die für 2000 bis 7000 Dollar arme Seelen illegal von Mexiko in die USA lotsen.

„Für 20 Millionen Dollar könnten wir die Grenze weiter befestigen und gleichzeitig durchlässig halten“, sagt Blasita Lopez, die quirlige Referentin von Bürgermeister Saenz. In Gesprächen mit Kongress-Abgeordneten der Republikaner sei man „auf großes Interesse gestoßen“, versichert sie.

Metallzäune auf 1000 Kilometern stehen schon jetzt

Bisher hat das von Trump per Präsidial-Dekret symbolisch angeschobene Mauer-Projekt eine Finanzierungslücke von mehr als 20 Milliarden Dollar. Insgeheim gehen vor allem Abgeordnete aus dem Süden davon aus, dass es deshalb „überhaupt keine durchgehende Mauer“ geben wird. Zum einen, weil die Grenze schon heute auf 1000 Kilometern Länge mit hohen Metallzäunen gesichert ist.

Dort patroullieren Grenzschützer in Jeeps, zu Pferd oder mit Drohnen. Zum anderen aber auch, weil die Landbesitzverhältnisse langwierige Rechtsstreitigkeiten erwarten ließen. Die Frage sei nun: „Wie kann Präsident Trump sein Gesicht wahren, ohne dass viel Geld für eine überflüssige Mauer aus dem Fenster geworden wird“, sagt ein Reporter der „Laredo Morning Times“.

Bevor Pete Saenz den diesjährigen Gewinner des Jalapeño-Wett-Essens prämieren lässt, erzählt der Bürger-meister noch schnell jenen Standard-Witz, den in Laredo wirklich jeder kennt. „Wer würde von der Mauer am meisten profitieren? Die Hersteller von Leitern.“ Leitern? Ganz einfach: „Ist die Mauer am Ende 20 Fuß hoch, werden die Leitern eben 21 Fuß haben.“

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