Kommentar Ministerpräsidentenwechsel in Mainz - Von Beck zu Dreyer

Kurt Beck hat sein Feld bestellt. Jedenfalls personell. Mit der bisherigen Sozialministerin Malu Dreyer hat er diejenige Sozialdemokratin zur Nachfolgerin gemacht, die bei den Menschen in Rheinland-Pfalz mit ihrer Herzlichkeit und ihrem gewinnenden Wesen am ehesten ankommen wird.

Bis zur nächsten Landtagswahl sind es zwar noch drei Jahre, doch mit Dreyer an der Spitze steigen die Chancen, dass die sozialdemokratische Ära in dem struktur-konservativen Land nicht 2016, nach dann 25 Jahren, enden wird.

Darüber hinaus hat Beck etwa mit Roger Lewentz als SPD-Landesvorsitzendem, Fraktionschef Hendrik Hering, der renommierten Bildungsministerin Doris Ahnen und dem neuen Sozialminister Alexander Schweitzer Politiker in jungen Jahren gestärkt, die sich langsam entwickeln konnten und inzwischen in Führungsverantwortung hineingewachsen sind.

Gemeinsam mit Dreyer ist ihnen zuzutrauen, dass sie die Lücke, die Beck reißt, schließen können. Wenn sie sich einig sind. Was hingegen die Probleme des Landes angeht, hat Beck der neuen Ministerpräsidentin ein zum Teil unzulänglich bestelltes Feld hinterlassen.

Die Verschuldung ist so hoch, dass derzeit trotz aller Beteuerungen Becks kaum absehbar ist, wie die Schuldenbremse eingehalten werden kann, geschweige denn die Landesschulden abgebaut werden können. Beim Nürburgring ist weiterhin unklar, wie die Zukunft aussieht, was das Land als 90-prozentiger Eigentümer abschreiben muss oder was noch an Kosten hinzukommen wird.

Ähnlich ungeklärt ist die Zukunft des Flughafens Hahn. Auch die noch von der SPD-Alleinregierung in die Wege geleitete Kommunalreform hat bisher wenig Zukunftsträchtiges erbracht. Den Bürgern im Land ist einfach nicht zu vermitteln, dass Gemeinden fusionieren sollen, um Ressourcen zu sparen, bei Kreisen und Mittelbehörden im Land aber nicht in gleichem Maße an effektiveren Strukturen gebastelt wird.

Die nun von Dreyer geführte Landesregierung bietet der CDU im Landtag also viele Angriffsflächen. Oppositionschefin Julia Klöckner wird dennoch ihre Strategie ändern müssen. In den vergangenen zwei Jahren hat sie nicht nur einmal in ihrer Kritik an Beck überzogen, natürlich auch weil der bisherige Regierungschef sie spüren ließ, dass er von ihrem Stil nichts hält. In der Auseinandersetzung mit Malu Dreyer wird sie mit weniger Gift operieren müssen.

Auch wenn in seinen letzten Jahren im Amt das öffentliche Bild Kurt Becks durch das Nürburgring-Desaster geprägt worden ist: Beim Blick zurück auf seine gesamte Amtszeit wird vor allem seine riesige Popularität in Erinnerung bleiben. Beck hat den Rheinland-Pfälzern das Gefühl gegeben, dass das Land bei ihm in guten Händen ist. Malu Dreyer tritt in große Fußstapfen.

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