Kommentar zur Regierungspolitik in NRW Ernste Lage

Meinung | Düsseldorf · Bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sind es noch 13 Monate. Wenn der Eindruck der vergangenen Tage nicht trügt, dann könnte es ein ganz anderer Wahlkampf werden als die allermeisten in den zurückliegenden Jahren.

 Denkwürdiger Auftritt: Hannelore Kraft.

Denkwürdiger Auftritt: Hannelore Kraft.

Foto: dpa

Es ist schon ungewöhnlich, dass der Oppositionsführer der Ministerpräsidentin vor der Wahl anbietet, miteinander zu kooperieren. Noch ungewöhnlicher allerdings ist, dass die Regierungschefin darauf eingeht und das Hilfsangebot annimmt. Zu normalen Zeiten müsste man dieses Verhalten von Hannelore Kraft als Offenbarungseid oder auch als Bankrotterklärung einer abgewirtschafteten Landesregierung bezeichnen.

Doch die Zeiten sind keine normalen, denn die Lage für Nordrhein-Westfalen ist ernst, sehr ernst sogar. Spätestens seitdem das einst so wirtschaftsstarke Land in der vorigen Woche von den Statistikern attestiert bekommen hat, dass es beim Wirtschaftswachstum auf den bundesweit letzten Platz abgerutscht ist, ist das nicht mehr zu übersehen.

Mit einem Wachstum von 0,1 Prozent liegt nur noch Sachsen-Anhalt in der Preisklasse von NRW. Alle anderen Länder haben mindestens eine Eins vor dem Komma. In dieser Situation ist es richtig, die Politik auf eine breitere Basis zu stellen.

Die Ministerpräsidentin hat natürlich recht, wenn sie davon spricht, dass ihre Landesregierung keinen Einfluss auf den Ölpreisverlauf oder die problematischen Entwicklungen für den Export von NRW-Maschinen nach Brasilien, Russland oder China hat. Doch so leicht wie in ihrer Pressekonferenz gestern darf sie es sich nicht machen.

Neben den Auswirkungen der weltweiten Probleme gibt es eben auch hausgemachte. Nur zwei Beispiele: Beim Breitbandausbau sind andere Länder viel weiter. Woanders liegen auch fertige Pläne vor, wenn Bundesgeld für Straßenprojekte fließt. Oppositionschef Armin Laschet hat zurecht darauf hingewiesen.

Der CDU-Landesvorsitzende ist ein gutes Jahr vor der Wahl in einer komfortablen Situation. Macht er – einerseits – vernünftige Vorschläge, die die Landesregierung sogar in konkretes Regierungshandeln umsetzt, profiliert er sich als künftiger Ministerpräsident – dann möglicherweise in einer Koalition mit einer kleineren SPD als Partner.

In Mainz ist ein Bündnis mit Grünen und FDP vielleicht möglich, in Düsseldorf trennt beide Parteien einfach noch zu viel. Lehnt Rot-Grün – andererseits – Laschets Vorschläge ab, kann er die Landesregierung im Wahlkampf vor sich hertreiben.

In den vergangenen Wochen ist viel über die angebliche Amtsmüdigkeit Krafts geschrieben worden. Gestern konnte sie diesen Eindruck jedenfalls nicht widerlegen. Wenn die Ministerpräsidentin zunächst nicht sagen kann, was sie im letzten Jahr vor der Wahl vorhat und später nur „olle Kammellen“ nennt, dann muss sie sich nicht wundern, wenn ihr Planlosigkeit unterstellt wird.

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