Kommentar zur Enwicklung der AfD Der rechte Rand

Meinung | Bonn · Die politischen Trennlinien werden derzeit neu gezogen. Eine Studie über Mitglieder der AfD zeigt, dass sich ein erheblicher Teil der Bevölkerung bei den Reformen der letzten Jahre unter tätiger Mithilfe der CDU nicht mitgenommen fühlte.

 AfD-Mitglieder würden am liebsten die Reformen der letzten Jahre wieder rückgängig machen - das zeigt eine parteiinterne Umfrage.

AfD-Mitglieder würden am liebsten die Reformen der letzten Jahre wieder rückgängig machen - das zeigt eine parteiinterne Umfrage.

Foto: dpa

Der rechte Rand des deutschen Parteienspektrums sortiert sich neu. Die AfD beginnt ihren Aufstieg nicht mit dem Thema Euro, wie ihr Gründer Bernd Lucke es sich vorgestellt hatte, sondern mit dem Protest gegen die Flüchtlingspolitik der großen Koalition. Doch das ist nicht alles, wie eine parteiinterne Untersuchung offenlegt. Ihr Ergebnis ist die Liste all jener Themen, in denen die CDU in den zurückliegenden Jahren Positionswechsel vollzogen hat: Wehrpflicht, Doppelpass, Zuwanderung, Tempolimit, Scheidungsrecht und die Abschaffung der deutschen Bildungsabschlüsse an den Universitäten.

Rechts von der CDU/CSU dürfe es keine andere Partei geben, hat Franz Josef Strauß einst gefordert. Wer rechter auftrat als die CDU/CSU, der landete unweigerlich bei den Extremisten. Die CDU/CSU verfuhr bisweilen nach dem Prinzip rechts blinken und links fahren, denn in vielen zentralen Fragen – beispielsweise der Sozialpolitik – trat sie konservativer auf als sie am Ende entschied.

Jetzt wird die Trennlinie neu gezogen, und die Themen der AfD-Mitglieder legen offen, dass sich hier ein erheblicher Teil der Bevölkerung bei den Reformen unter tätiger Mithilfe der CDU nicht mitgenommen fühlte. Das Phänomen AfD ist also nicht allein mit dem Thema Flüchtlinge verbunden. Hier geht es um mehr und Grundsätzliches. Die neue Partei muss folglich schon große Fehler machen, um schnell wieder von der Bildfläche zu verschwinden. Die Gelegenheit dazu ist günstig, denn rechts von der CDU/CSU ist im Parteienspektrum zwar Platz, aber die NPD ist auch noch da. Die Grenze zur neuen Partei ist noch fließend und die Umarmungs- und Unterwanderungsversuche offenkundig. Wenn die AfD dauerhaft überleben will, muss sie ihr Verhältnis zum extremen rechten Rand klären. Sie hat nur als konservative aber demokratische Alternative zur CDU eine Chance.

Dabei wird ihr die unterschiedliche Ausrichtung in Ost und West im Wege stehen. Während im Westen die regelmäßig konfliktträchtige Mischung aus Idealisten, karriereorientierten Jura-Studenten, enttäuschten Mitgliedern der Altparteien und streitbaren älteren Herren mit Hang zu Intrigen zusammenläuft, ist man im Osten dabei, rechten Krawall zu pflegen. Von klaren Abgrenzungen hält man wenig, weil Radikalität dort gut verfängt. Im Westen ist das demokratische Prinzip offenbar verankert. Im Osten ist das nicht so klar. Ob die AfD diese wohl unvermeidbaren Spannungen einer neuen Partei auf Dauer aushält, ist offen. Sie muss Antworten finden, denn allein gegen alle wird sie nichts ausrichten.

Wenn die EU-Parlamentsfraktion zwei verbalradikale AfD-Politiker an die Luft setzt, markiert das Grenzen der Toleranz auf der europäischen Ebene. Wahlerfolg hin oder her: Bis die AfD ein handlungsfähiger und berechenbarer Faktor ist, wird es noch dauern.

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