Kommentar zu den Landtagswahlen Parteiendämmerung
Meinung | Bonn · Die Botschaft dieser Landtagswahlen ist klar: Die Parteienlandschaft verändert sich. Für die Bundesrepublik und die Demokratie muss das kein Schaden sein.
So widersprüchlich wie am Sonntag kommt selten ein Wahlergebnis daher. Die Grünen fahren in Baden-Württemberg Rekordergebnisse ein und fliegen in Rheinland-Pfalz beinahe aus dem Landtag. Die SPD gewinnt dort überraschend deutlich und ist in Baden-Württemberg inzwischen zur Kleinpartei geschrumpft. Gleiches gilt in Sachsen-Anhalt, wo die CDU ihre Position annähernd hält, während sie in den beiden anderen Ländern verliert.
Eine Botschaft ist sehr deutlich: Die Wähler haben die Nase voll von der großen Koalition. Sie ist so übermächtig, dass echte Opposition nicht mehr stattfindet und jede Entscheidung als alternativlos daherkommt. Es gibt keinen echten demokratischen Streit mehr um die beste Lösung. Dafür ballt sich alles in der politischen Mitte. Man mag zu ihr stehen wie man will, aber die AfD bringt eine Opposition zurück in die Landtage. Wenn sie ihre extremistischen Positionen verlässt und sich klar zu demokratischen Spielregeln bekennt, kann das am Ende dem Land sogar nützen. Die AfD muss jetzt zeigen, wer sie wirklich ist und ob sie bereit und in der Lage wäre, irgendwann einmal Verantwortung zu übernehmen. Eine politische Auseinandersetzung mit der Partei ist dringend erwünscht.
In politisch unübersichtlichen Zeiten wählen die Menschen offenbar gerne Orientierung. Die finden sie bei Politikern, die sie kennen. Malu Dreyer und Winfried Kretschmann sind offenbar solche Leitfiguren, Rainer Haseloff in Grenzen auch. Wem Orientierung fehlt, möchte offenbar keinen Regierungswechsel. Das stärkt die führenden Parteien in den Ländern zusätzlich und schwächt ihre Koalitionspartner, schwächt auch die Herausforderer. Eine wichtige Rolle bei der Neuverteilung der politischen Kräfte spielte offenbar die hohe Wahlbeteiligung. Weil viele ehemalige Nichtwähler bei der AfD ihr Kreuz machten, schrumpften in einigen Ländern Grüne oder Linke, aber auch die SPD deutlich zusammen.
Sie profitierten bisher von niedriger Wahlbeteiligung, weil sie eine sehr zuverlässige Kernwählerschaft haben, die sie zuverlässig mobilisieren konnten. Groß war sie aber offenbar nicht. Klar ist auch, dass sich der rechte Rand des politischen Spektrums in Bewegung gesetzt hat. Es gibt jetzt eine Partei rechts von der CDU. Die FDP profitierte ebenfalls von der um sich greifenden Unzufriedenheit im ehemaligen Bereich der CDU-Wählerschaft. Die Freien Demokraten haben einen großen Schritt auf dem Weg zurück in die politische Arena geschafft.
Wir werden uns an schwierigere Koalitionsbildungen gewöhnen müssen. Dreierbündnisse - bisher noch die Ausnahme - dürften zur Regel werden. Auch bisher ungewöhnliche Konstellationen sind wahrscheinlich: Grün-schwarz zum Beispiel oder Bündnisse von CDU, SPD und FDP. Ob das eine gute Entwicklung ist, wird sich zeigen. Denn auch das Regieren wird damit schwieriger. Außerdem haben diese neuen Bündnisse den Nachteil, dass sie den Wählern eine Orientierung nach gewohnter politischer Farbenlehre erschweren.
Die Gewissheiten eines rechten oder linken Lagers lösen sich damit auf. Der Wahlabend war daher vermutlich weit mehr als die Abrechnung mit der großen Koalition in drei Bundesländern. CDU und SPD gehen schwer beschädigt in eine ungewisse Zukunft. Die Parteienlandschaft steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Für die Bundesrepublik und die Demokratie muss das kein Schaden sein.