Kommentar Das Familienurteil des BGH - In der Pflicht

Ein Mann hat seit über vier Jahrzehnten den Kontakt zu seinem Sohn abgebrochen. Die Familie ist gescheitert, das Vater-Sohn-Verhältnis seit Langem unheilbar zerrüttet.

Trotzdem muss der Sohn Unterhalt für diesen Vater zahlen, der für ihn bestenfalls eine ferne Erinnerung ist, mit dem er heute nicht mehr teilt als das gemeinsame Erbgut. Ist das gerecht? Ja, urteilt der Bundesgerichtshof und begründet seine Haltung damit, dass der fremde Vater in der Jugend des Sohnes sehr wohl seine Elternpflichten wahrgenommen habe.

Eine Einzelfallentscheidung? Nicht mehr als ein tragisches Familienschicksal? Nein. Der Fall lenkt den Blick auf die konkreten Folgen der zunehmenden Alterung der deutschen Gesellschaft und die Rolle der Familie in diesem Zusammenhang.

Immer höhere Milliardensummen müssen Städte und Gemeinden aufbringen, damit alte, kranke oder demente Menschen gepflegt werden können. Die Gesellschaft übernimmt damit Pflichten, die traditionell der Familie obliegen.

Die obersten deutschen Richter stellen mit ihrem Urteil klar, welch hohen Stellenwert sie der gegenseitigen Fürsorge und Verpflichtung im Familienverbund einräumen.

Sie machen deutlich, dass die Bezeichnung der Familie als Kern der Gesellschaft mehr ist als eine gängige Phrase in Sonntagsreden. Und dass das deutsche Recht hohe Hürden auftürmt, bevor Familienangehörige aus ihrer Pflicht gegenüber ihren engsten Verwandten entlassen und die Lasten der Gesellschaft aufgebürdet werden.

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