Interview mit dem ehemaligen SEK-Beamten Schulz "Streifenpolizisten sind oft nur noch Opfer"

Bonn · Ein ehemaliger SEK-Beamter hält die flächendeckende Aufrüstung der Polizei mit Tasern für sinnvoll. Bislang sind lediglich SEK-Beamte damit ausgerüstet.

 Beamte eines Sondereinsatzkommandos (SEK) der Polizei Frankfurt simulieren die Bewältigung einer Amok-Bedrohungslage. Dabei wird der mit einer Axt bewaffnete "Täter" von einem Beamten mit einem sogenannten Taser niedergestreckt. Der Taser schießt zwei dünne Kabel mit Widerhaken in die Haut der Zielperson.

Beamte eines Sondereinsatzkommandos (SEK) der Polizei Frankfurt simulieren die Bewältigung einer Amok-Bedrohungslage. Dabei wird der mit einer Axt bewaffnete "Täter" von einem Beamten mit einem sogenannten Taser niedergestreckt. Der Taser schießt zwei dünne Kabel mit Widerhaken in die Haut der Zielperson.

Foto: dpa

Peter Schulz (Name aus Sicherheitsgründen geändert) versteht die Einschränkung auf die SEK-Beamte nicht. Der 54-Jährige kennt den Taser als ehemaliger SEK-Beamter. Daher glaubt der Polizist, der aus der Region kommt, und jetzt als Dienstgruppenleiter im Wach- und Wechseldienst Dienst tut, dass der Taser gerade Streifenpolizisten wertvolle Dienste leisten kann. Mit ihm sprach Axel Vogel.

Herr Schulz, Sie haben den Taser als SEK-Beamter rund elf Jahre lang im Alltag genutzt.
Schulz: Ja, vor allem bei Gewaltlagen, bei denen ein Messer im Spiel war. Oft hat sich gezeigt: Der Taser ist das für alle Beteiligten schonendste Einsatzmittel, um Gewalt unverzüglich zu beenden.

Wie hoch ist die Erfolgsquote?
Schulz: In mehr als 90 Prozent der Fälle fiel der Täter nach dem Treffer und dem Frequenzstoß sofort um, blieb aber unverletzt. Oder er kam mit leichten Verletzungen davon. Das belegen auch Berichte etwa aus Großbritannien, wo die gesamte Polizei den Taser nutzt. Überhaupt gibt es kaum ein polizeiliches Einsatzmittel, das weltweit so genau evaluiert wird wie der Taser. Auch nach meinen Erfahrungen gibt es vom Pfefferspray bis zum Granatwerfer für Gummigeschosse kein effektiveres Einsatzmittel für eine Entfernung zwischen zwei und sechs Metern.

Kritiker weisen auf Todesfälle hin. Auch versage das Gerät mitunter, heißt es.
Schulz: Bislang konnte kein Todesfall gerichtlich nachgewiesen werden. Aber natürlich ist auch der Taser ein Mittel der Gewalt, und Gewalt ist immer hässlich. Es gibt auch Fälle, wo das Gerät versagte, aber diese sind marginal. Bei mir funktionierte der Taser einmal nicht. Wegen eines Kabelbruchs.

Reicht es nicht, wenn allein SEK-Beamte über den Taser verfügen?
Schulz: Weil die Zahl der Gewaltsituationen und vor allem die Übergriffe auf Streifenbeamte in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. Viele Bürger haben keinerlei Respekt mehr vor Polizisten. Streifenpolizisten sind oft nur noch Opfer, nicht mehr Agierende. Hinzu kommt, dass bei einem Schusswaffeneinsatz hohe rechtliche Anforderungen vorliegen müssen und jeder Beamte strafrechtliche und disziplinarische Konsequenzen bei einem Fehlverhalten fürchten muss.

Ein Beamter muss in Gewaltlagen also oft abwägen, was Zeit kostet und gefährlich werden kann?
Schulz: Genau. Der Taser würde hier nicht nur einen Beitrag zum Selbstschutz leisten, sondern hätte auch eine abschreckende Funktion. Ich weiß aus einem Selbstversuch: Ich muss kein zweites Mal Bekanntschaft mit dem Taser machen. Auch aus anderen Ländern weiß man: Nach der Einführung des Tasers geht die Gewaltbereitschaft gegen Beamte zurück.

Können sich Polizisten nicht mit Schlagstöcken oder Pfefferspray behelfen?
Schulz: In vielen Fällen bleibt ein sehr hohes Verletzungsrisiko für alle Beteiligten, weil man den Aggressor nicht sofort und gezielt außer Gefecht setzten kann. Wir wurden unlängst zu einem Fall gerufen, wo ein psychisch kranker Mann ausgerastet ist und sein Umfeld mit einer abgeschlagenen Flasche bedroht hat. Unser Plan war, den Mann mit dem gezielten Schlag eines Knüppels in eine schmerzempfindliche Körperregion so abzulenken, dass wir ihn hätten überwältigen können. Gott sei Dank gab der Mann auf. Mit einem Taser wäre die Situation früher zu entschärfen gewesen. Ebenso bei den Einsätzen wegen häuslicher Gewalt, zu denen wir fast täglich gerufen werden.

Trotzdem hält das Ministerium den Trainingsaufwand für Streifenpolizisten für zu groß.
Schulz: Das Argument hält der Realität nicht stand. In Großbritannien dauert die Einweisung am Taser für einen Polizisten, der an der Schusswaffe ausgebildet ist, genau einen Tag.

Auch sagt man in Düsseldorf, es fehle für den Taser Platz am Koppel der Streifenpolzisten.
Schulz: Aus meiner Sicht ist es ein Unding, ein über die Maßen sinnvolles Einsatzmittel wegen einer solchen Begründung nicht anzuschaffen. Abhilfe schaffen würde zudem eine Geräteweste, wie sie in anderen Bundesländern erfolgreich im Einsatz ist.

Sie sollen sich mit Ihrer Behörde in Düsseldorf für die Anschaffung des Tasers eingesetzt und dabei eine Abfuhr bekommen haben. Können Sie sich den Widerstand erklären?
Schulz: Das möchte ich nicht kommentieren. Aber ich glaube ganz allgemein, dass viel Widerstände mit Unkenntnis über die Funktionsweise des Tasers zu tun haben. Oft ist immer noch von einer Elektroschockwaffe die Rede, was Unsinn ist. Dass der Taser ein Einsatzmittel ist, was vor allem auch den Betroffenen in aller Regel unverletzt lässt, wird in dieser Diskussion oft gar nicht erwähnt.

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