Führung von Brigitte Denkel Mutter der Bonner Kirschblüte führt durch die Nordstadt

Bonn · Viele Bonner schätzen Brigitte Denkel als die Mutter der Kirschblüte in der Heerstraße. Bei einer Führung blickte die frühere Stadtplanerin auch auf die Geschichte der Nordstadt zurück.

Es ist so, als führte eine stolze Hausherrin durch ihr eigenes Reich. Die pensionierte Architektin und Stadtplanerin Brigitte Denkel hat gemeinsam mit dem Bund Deutscher Architekten zum Rundgang durch die Nordstadt eingeladen. Taugt das Viertel als Vorbild zur Quartiersanierung andernorts, so die Leitfrage, die sich rund 60 Interessierte, darunter gefühlt die halbe Belegschaft des städtischen Planungsamtes, bei Führung und Diskussion stellen.

Für Denkel, die viele Bonner heute vor allem als Mutter der Kirschblüte in der Heerstraße schätzen, ist die Antwort ein klares Ja. Bei der Sanierung des ein Jahrhundert alten Handwerkerviertels, das in den 1970er-Jahren zunehmend zum sozialen Brennpunkt mit lauten Durchfahrtsstraßen, schmutzintensivem Gewerbe und diversen Schrottplätzen zu verkommen drohte, wurden zwischen 1984 und 1994 mit Geldern aus einem Sonderförderprogramm fünf Grünflächen angelegt, 15 Straßen umgestaltet, 40 Höfe begrünt, 90 Fassaden restauriert und 400 Straßenbäume gepflanzt. Die Großbetriebe verschwanden, die Mischung aus Handwerk, Gewerbe und Wohnen blieb.

„Mitte der 1970er starben in der Nordstadt jedes Jahr drei Menschen im Verkehr“, erinnert die Planerin. Gegen Verkehrsberuhigung mit Kupferschlackensteinen, Hindernissen und Parkraumverknappung gab es viel Protest, „aber heute warten Autofahrer geduldig, wenn jemand über die Straße läuft“. In den letzten Jahren habe zusätzlich die temporäre Nutzung von Stellplätzen der Gastro-Szene geholfen, ohne größeren Streit mit Anwohnern auszulösen.

Miet- und Kaufpreise unerschwinglich

Eindrucksvoll zeigte die Architektin im Vergleich mit alten Fotos, wie viele Straßen mit Bäumen, Gaslaternen und Denkmälern ihren Charakter vollkommen verändert haben. Gelungen sind für sie Neubauprojekte wie in der Paulstraße 26, wo 2008 der Klotz der Bundeskasse einem von großen Holzbalkonen umgebenen Wohnblock mit offenem Innenhof wich. Mit der vorgeschriebenen Zahl der Stellplätze habe man den Investor dazu bewegt, nicht nur Klein-Appartements für zahlungskräftige Singles zu schaffen, sondern auch größere Wohnungen.

Initiativen wie der verträumte Max-Hof in der Max-Straße mit Kita zeigen, wie nachbarschaftliches Engagement das Quartier in vieler Hinsicht belebt. Auch auf dem Platz vor dem Frankenbad treffen sich jeden Nachmittag Menschen jeden Alters und unterschiedlichster Herkunft zum Plausch oder am Basketballkorb. Trotzdem sieht Denkel seit einigen Jahren Tendenzen einer Verdrängung unter den bisherigen 9000 Einwohnern. Viele Besitzer fänden regelmäßig Kaufangebote für ihre Immobilien im Briefkasten: „Wenn die Alteigentümer versterben, machen die Kinder bisweilen Kasse.“

Als Beispiel führt sie zusammen mit dem Stadtverordneten Jürgen Repschläger (Die Linke) in den Hinterhof Wolfstraße 10. Als das Haus noch in ruinösem Zustand einem Adligen mit sozialer Ader gehört habe, „haben sich hier 20 Jahre lang die kreativen Leute getroffen, die der Rest Bonns nicht sehen wollte“, so Repschläger.

Nach dem Tod des Besitzers ging das Grundstück in neue Hände. Schicke Lofts entstanden in Holz und Klinkeroptik, die selbst Repschläger als alter Bewohner gelungen findet. Aber die Miet- und Kaufpreise seien doch völlig andere, glaubt Brigitte Denkel, und für das Gros der bisherigen Bewohner im Quartier unerschwinglich. So wird ein Ein–Zimmer-Altbau-Appartement in der Maxstraße in einschlägigen Portalen für 13 Euro pro Quadratmeter angeboten.

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