Projekt der Bonner Namen-Jesu-Kirche „Bevor ich sterbe,will ich...“

Bonn · Vielleicht ist es die schwierigste Frage, die sich jeder stellen kann. Was will ich tun, bevor ich sterbe? Und über die Antwort lernt man wohl mehr über den Menschen als in einem langen Gespräch.

 An der Tafel erklären (von links) Achim Spreer, Pia Mehlem, Diakon Lothar Haag, Silvia Link, Jürgen Reske und Stefanie Weimbs-Rust die Idee der Aktion „Bevor ich sterbe...“.

An der Tafel erklären (von links) Achim Spreer, Pia Mehlem, Diakon Lothar Haag, Silvia Link, Jürgen Reske und Stefanie Weimbs-Rust die Idee der Aktion „Bevor ich sterbe...“.

Foto: Benjamin Westhoff

Von Samstag, 9., bis Samstag, 16. Juli, lädt die alt-katholische Namen-Jesu-Kirche dazu ein, sich mit dem eigenen Sterben und Leben auseinanderzusetzen und Tafeln mit Gedanken und Kommentaren zu gestalten.

Die Menschen sind eingeladen, auf vier doppelseitigen Tafeln ihre Hoffnungen und Wünsche für und an das Leben zu formulieren. Die Tafeln werden ab Samstag nicht nur in und vor der Kirche an der Bonngasse stehen, sondern, abhängig vom Wetter, auch vor dem Alten Rathaus auf dem Marktplatz. Unterstützt und begleitet wird die Aktion, zu der es auch ein kulturelles Begleitprogramm geben wird, von den Hospizvereinen Bonn und Beuel. Die Bürgerstiftung fördert die Aktion mit 5000 Euro.

„Wir wollen den Menschen ins Bewusstsein rufen, dass wir sterblich sind, und sie aufrufen, übers Leben zu reflektieren“, erklärte Stefanie Weimbs-Rust, Vorstand der Stiftung Namen-Jesu-Kirche. „Die Jury, die in der Bürgerstiftung über die vorgeschlagenen Projekte berät, war sofort begeistert von dem Projekt“, erzählte Jürgen Reske. „Wir finden es spannend, Menschen, die mitten im Leben stehen, oder auch Kinder und Jugendliche anzuregen, über ihr Leben nachzudenken und vielleicht miteinander ins Gespräch zu kommen.“

Die amerikanische Künstlerin Candy Chang hatte die Idee zu der Aktion

Die Idee geht zurück auf eine Aktion der amerikanischen Künstlerin Candy Chang, die mittlerweile fast zu einer weltweiten Bewegung geworden ist. Überall, ob in Ungarn, Irland, Thailand oder Kasachstan, schreiben Menschen ihre Sehnsüchte und Hoffnungen auf die Tafeln. Als Candy Chang einen nahen Angehörigen verlor, verwandelte sie die Fassade eines leer stehenden Hauses in ihrer Nachbarschaft in New Orleans zu einer gigantischen Tafel, auf der jede Zeile begann mit den Worten „Bevor ich sterbe, möchte ich…“

Am Abend war die Tafel mit bunter Kreide vollgeschrieben. „Ich hatte plötzlich ein völlig anderes Bild von meinen Nachbarn. Die Wünsche zeigten sie in einem anderen Bild und zeigten mir, dass ich nicht alleine mit der Frage stand, wie ich meinem Leben einen Sinn geben könnte“, erzählte sie später.

„Es ist uns ein tägliches Anliegen, hier mitten in dieser lebendigen Innenstadt Leben und Tod zu thematisieren“, sagte Weimbs-Rust. „Es ist die Aufforderung, das Leben zu wertschätzen“, ergänzte Achim Spreer vom Vorstand des Beueler Hospizvereins.

Die Hemmschwelle sinkt

Gerade vor dem Hintergrund des tödlichen Angriffs auf den 17-jährigen Niklas P. in Bad Godesberg, aber auch der täglichen Nachrichten von Gewalt und Terror, die davon zeugten, dass die Hemmschwelle immer weiter sinke, sollten die Initiatoren die Menschen sensibilisieren, über ihr Leben nachzudenken.

„In unserer täglichen Arbeit der Sterbebegleitung erfahren wir immer wieder, was Menschen in ihrer letzten Lebensphase beschäftigt“, so Silvia Link, Koordinatorin des Beueler Hospizvereins. Oft seien es ganz einfache Dinge, etwa noch einmal den Rhein sehen zu dürfen, oder sie wünschten sich einen geschmückten Weihnachtsbaum im Sommer, eine letzte Karnevalsfeier im August. Und ganz oft stehe der Wunsch der Versöhnung im Vordergrund. „Die Frage, die uns doch alle beschäftigt“, so Pia Mehlem vom Hospizverein Bonn, „ist: Gibt es die absolute Erfüllung? Habe ich gut gelebt?“

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