Theaterinszenierung Das Klassenzimmer wird zum Boxring

OBERKASSEL · "Gewalt an Berliner Schulen nimmt nicht ab", lautet die Überschrift eines Artikels, der im Internet aktuell nachzulesen ist. 239 Fälle von schwerer körperlicher Gewalt unter Schülern und 204 Übergriffe auf Lehrkräfte und Schulpersonal wurden im ersten Halbjahr des Schuljahrs 2013/2014 registriert.

 Bühnenszene: Der Unterricht gerät aus den Fugen. Erst als der jungen Lehrerin die Pistole eines Schülers in die Hände fällt, kann sie sich durchsetzen.

Bühnenszene: Der Unterricht gerät aus den Fugen. Erst als der jungen Lehrerin die Pistole eines Schülers in die Hände fällt, kann sie sich durchsetzen.

Foto: Max Malsch

Basierend auf dem Film "La journée de la jupe", der 2009 erschien, haben Dramaturg Jens Hillje und Regisseur Nurkan Erpulat daraus einen aberwitzigen Theaterspaß auf die Bühne gebracht. Unter dem Titel "Verrücktes Blut" war im Jahr 2010 die Premiere im Berliner Theater Ballhaus Naunynstraße. Im Frühjahr 2012 gastierte das Ensemble in den Kammerspielen in Bad Godesberg. Dort hat es Jochen Schulze-Diesel, seit über 20 Jahren Leiter des Literaturkreises am Ernst.Kalkuhl-Gymnasium in Oberkassel, gesehen. Der Kreis dauert derzeit ein Schuljahr und wird in der Stufe Q1, früher 11. Klasse, gehalten. Dabei wird ein Theaterstück ausführlich besprochen und zur Aufführung gebracht.

In diesem Jahr nahm man sich der Gewalt an Schulen an, kein Thema des Kalkuhl-Gymnasiums, aber ein gesellschaftliches Thema der Multi-Kulti-Gesellschaft. Das Stück wurde zuerst "entberlinert" und auf allgemein gültige Schulprobleme reduziert. Sieben postpubertäre Jugendliche mit "migrantischem Hintergrund", zwei Mädchen und fünf Jungs, die auf Schule keinen Bock haben, und eine junge Lehrerin, die sich in diesem Rabauken-Chaos kaum Gehör verschaffen kann. Das Klassenzimmer ist bei dieser Aufführung ein Boxring - gegensätzlicher könnte die Abstraktion der Realität kaum sein.

Ausgerechnet Schillers "Räuber" möchte die Lehrerin mit ihren Schülern besprechen. Wieder dieser Gegensatz zwischen Theorie und Praxis, zwischen Wunschdenken und Realität. Doch erst, als ihr die Pistole eines Schülers in die Hände fällt, kann sie sich durchsetzen. Da muss schon mal ein Schüler die Hose runter lassen, da werden auch zwei Schüler angeschossen. Zu guter Letzt opfert eine Muslimin noch ihr Kopftuch, um den größten Rabauken zu fesseln. Das Ende sei hier nicht verraten, dazu sollte man sich schon selber das Stück ansehen.

Eine gelungene Inszenierung des Ernst-Kalkuhl-Gymnasiums, aktuell, spannend, unterhaltsam und mit Situationskomik, die allerdings mehr Zuschauer verdient gehabt hätte. Das gesamte Team, Schauspieler, Techniker, Dramaturgie, Assistenten haben sich damit gute bis sehr gute Noten verdient.

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