Buch über das Vinzenz-Pallotti-Kolleg Literarischer Schlussakkord

Rheinbach · Ende einer Ära: Stefan Heuel nimmt Abschied vom Vinzenz-Pallotti-Kolleg in Rheinbach. Mit seinem 424 Seiten starken Buch voller Einsichten und Anekdoten stellt der ehemalige Schüler der Schule dem VPK ein literarisches Denkmal.

 Stefan Heuel liest aus seinem Buch.

Stefan Heuel liest aus seinem Buch.

Foto: Mario Quadt

Für die Kinder der heutigen Generation mögen die zwei mit Schreibmaschine geschriebenen Blatt Papier befremdlich anmuten, die anno 1979 das Zusammenleben der Internatsschüler am Rheinbacher Vinzenz-Pallotti-Kolleg (VPK) auf unmissverständliche Weise regeln. In Zeiten, da das Smartphone nicht erfunden ist und Telefon, Fernseher, Plattenspieler, Taschenlampe und anderes nicht in einem Gerät enthalten sind, müssen sich die VPK-Schüler an die strenge Hausordnung halten, die etwa den Gebrauch von Radios oder des gemeinsamen Fernsehers limitiert.

Der Plan ordnet an, dass drei Fernsehsendungen pro Woche über 21.30 Uhr hinausgehen dürfen, davon eine über 22 Uhr. Diese und eine große Fülle weiterer Anekdoten liefert der druckfrische Band „Schlussakkorde“. Das 424 Seiten starke Buch stellt dem im Sommer geschlossenen VPK ein literarisches Denkmal.

Bereits im Dezember 2013 veröffentlicht Stefan Heuel mit „Pallottistraße 1“ eine hochwertige Sammlung von historisch-persönlichen und respektvollen Schilderungen über das Leben und Lernen am Kolleg an der Pallottistraße. Schüler von einst lässt er ebenso zu Wort kommen wie Lehrer, Pallottinerpater und Freunde des Kollegs.

In jeder freien Sekunde in der Heimatstadt

Ein Segen ist, dass Heuel, VPK-Abiturient von 1983, von Berufs wegen Bücher herausgibt. Zwar lebt und arbeitet er in Rosenheim, für die Recherchen zu „Schlussakkorde – was vom Vinzenz-Pallotti-Kolleg bleibt“ ist er aber seit dem Frühjahr in nahezu jeder freien Sekunde in seiner Heimatsstadt zu Gast, um Elegien, Satiren und Tatsachenberichte einzusammeln. Herausgekommen ist eine reich bebilderte Sammlung mit Geschichten einer Schule mit Strahlkraft – ein Stück Stadt-, Kultur- und Bildungsgeschichte. Wer die Beiträge liest, erkennt, dass von einer Schule die Rede ist, die prägt.

„Von der Idee, nach 'Pallottistraße 1' nur ein kleines Buch zum Abschied vom Kolleg nachzulegen, mussten wir uns schnell verabschieden“, berichtet Heuel im Gespräch mit dem General-Anzeiger. Das Treffen mit dem Herausgeber des hochwertigen Festeinbands findet an einem schulhistorisch bedeutenden Ort statt: dem Café am Voigtstor. Dort trafen sich die Pennäler nicht selten heimlich, natürlich so gut wie nie während der Unterrichtszeit, wie Heuel versichert. Anders war es jedoch mit der im neuen Band nachzulesenden Hausordnung: „Jeder wusste, dass die Hausordnung nicht immer eingehalten wurde“, räumt der 52-Jährige ein. „Es gab geduldete Ausnahmen“, meint er vielsagend.

Typisch elterliche Pflichten

Selbst zur Übertretung von Regel Nummer elf „Jeder Besuch wird beim zuständigen Erzieher angemeldet. Damenbesuch ist nicht gestattet“ soll es dem Vernehmen nach gekommen sein. Bei aller Strenge an einem laut Selbstverständnis der Pater „leistungsstarken, geistig und geistlich prägenden Gymnasium“ seien die Leiter der Schülerheime, von den Heranwachsenden „Präfekt“ genannt, offene Menschen gewesen. „Unsere Präfekten der 70er- und 80er Jahre waren immer zugänglich und haben mir nie das Gefühl vermittelt, dass typisch elterliche Aufgaben nicht in ihrem Vertrag stehen - eher im Gegenteil.“

Fürs neue Buch betritt Heuel einen Ort, den nicht viele Menschen, nicht mal Schüler des VPK betreten haben: das Archiv der Schule. Eine archivübliche Sortierung gibt es dort nicht. Stunden um Stunde verbringt er hier, um in einer „vertrauten Vergangenheit herumzustochern“. Die Baupläne des Kollegs hebt er ebenso wie jene, die es nicht nur Baureife geschafft haben. Wie passend: Heute nach dem Ende des Schulbetriebs fragen sich viele Menschen in Rheinbach, was mit den Arealen im Stadtkern werden soll. Der bald fertige Masterplan Innenstadt könnte Wohnbebauung vorsehen. Jedoch bis 2019 werden Teile der Gebäude vom Sankt-Joseph-Gymnasium genutzt.

Lohnend ist der gewährte Blick ins sogenannte Aushilfen-Buch der Pallottiner. Die kleine Kladde dokumentiert, wo überall in Voreifel und Eifel die Pater Gottesdienste halten. „Vielerorts waren die Pallottiner Alleinpfarrer.“ Die Woche über lehren sie, am Wochenende hüten sie ihre Schäfchen – ein selbstloses Pensum.

Und zum Schluss eine Versöhnung

Wehmut erfüllt den Leser beim bildreichen Finale des Buches: dem Schlussakkord. So nennt eine kleine Gruppe von VPK-Ehemaligen die vielseitig musikalische Abschlussfeier, die sie am 2. Juli auf die Beine stellen. Am Rande dieses Festes kommt es zu einer erstaunlichen Geste der Versöhnung: 35 Jahre nach dem Schulende versöhnt sich Leo Wieland (Abi '81) mit Englischlehrerin Waltraud „Nessie“ Nestler. „Wenn ich mir die Zotteln wegdenke, kriege ich schon eine Idee zu Ihrem Gesicht“, sagt die Pädagogin im Ruhestand zur Begrüßung.

Fazit: Aus vielen Perspektiven schildert „Schlussakkorde“, welch mannigfaltigen Anstrengungen die Pallottiner in Rheinbach und das Lehrerkollegium des VPK unternommen haben, um aus jungen Leuten gestandene Menschen mit Werten und was im Kopf zu machen. Diese Anstrengungen scheinen gelungen – das Buch ist es in jedem Fall.

Die offizielle Buchpräsentation ist am heutigen Samstag, 12. November, 14 Uhr, in der Rheinbacher Buchhandlung Kayser, Hauptstraße 28. Neben Herausgeber Stefan Heuel stellen auch die ehemaligen VPK-Schüler und Mitautoren Jutta Claesgens und Florian Kalff das 424 Seiten starke Werk vor. Der Eintritt ist kostenlos.

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