Flüchtlinge in Medienzentrale "Besser als eine Zeltstadt"

SANKT AUGUSTIN · In fünf Monaten ziehen Flüchtlinge in die Medienzentrale in Sankt Augustin ein. Ein weiterer Infoabend steht am 19. August auf dem Terminplan.

Großes Interesse, eine unaufgeregte Diskussion und viele Informationen: Zweieinhalb Stunden dauerte der Austausch zur neuen Flüchtlingsunterkunft am Mittwochabend in der Medienzentrale der Bundeswehr. 400 Besucher waren in der Halle, etwa noch einmal so viele warteten davor. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Wann kommen die Flüchtlinge in die Medienzentrale?

Die ersten 100 bis 200 Flüchtlinge sollen ab dem 1. September in der ehemaligen Medienzentrale untergebracht werden. Anfangs steht ihnen nur das Erdgeschoss zur Verfügung. Laut Wilhelm Steitz, stellvertretender Regierungspräsident von der Bezirksregierung Köln, wird die Zahl der Flüchtlinge dann "je nach Baufortschritt hochgefahren". Die Zeit sei sehr knapp, deshalb starte zunächst alles provisorisch. Geplant sind 500 Plätze, in Spitzenzeiten bis zu 800. Die Flüchtlinge bleiben drei bis sechs Wochen, bevor sie auf die Kommunen verteilt werden.

Infoveranstaltung in Medienzentrale
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Infoveranstaltung in Medienzentrale

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Warum wurde der Standort ausgewählt?

Für Steitz hat das Gebäude eine hohe Aufenthaltsqualität. Im Vergleich zu anderen Einrichtungen sei es sehr hochwertig. "Es ist besser als eine Zeltstadt auf einem Parkplatz im Norden von Köln", wie sie gerade in der Domstadt diskutiert werde, so Steitz. Für zehn Jahre will das Land das Gebäude vom Bund mieten. Was darüber hinaus passiere, könne er nicht vorhersehen.

Wie werden die Flüchtlinge untergebracht?

Vom Einzel- bis zum Familienzimmer sollen die Räume der Medienzentrale genutzt werden. Mit mindestens sechs Quadratmetern pro Asylbewerber halte sich die European Homecare dabei an die Standards in NRW, erläuterte Peter Buchholz von der European Homecare. Zudem entstehen Verwaltungsbüros, Gemeinschafts-, Sport- und Kinderbetreuungsräume. Geplant ist auch ein Kiosk.

Reicht das Gebäude für 500 bis 800 Menschen aus?

Viele Bürger bezweifelten, dass das Gebäude für diese Masse an Menschen genügend Platz und Rückzugsräume biete. Jürgen Rose etwa, ehemaliger Mitarbeiter der Medienzentrale, hält 500 bis 800 Flüchtlinge dort für grenzwertig. "250 bis 300 wären überschaubar", sagt er. Laut Steitz lassen sich die bestehenden Räume anpassen. "Wir versuchen, den kommunalen Standard zu treffen." Bevor die ersten Flüchtlinge ankommen, will Steitz eine Begehung anbieten.

Wie sieht es mit der Verpflegung und den Sanitäranlagen aus?

Im Zusammenhang mit der Größe war auch die sanitäre Situation Thema. Derzeit reichen die Toiletten und Duschen nicht aus. Mit Sanitärcontainern werde dies überbrückt bis ausreichend Badezimmer vorhanden seien, so Buchholz. Über eine Küche mit Speisesaal sollen die Flüchtlinge morgens, mittags und abends verpflegt werden. Zudem bekommen sie ein Taschengeld.

Warum wurde European Homecare als Betreiber gewählt?

Gegenüber dem privaten Betreiber European Homecare wurden aus dem Publikum ablehnende Stimmen laut. Das Unternehmen stand 2014 nach Missbrauchsvorwürfen in einem Flüchtlingsheim in Burbach (Kreis Siegen-Wittgenstein) in der Kritik. Steitz betonte, dass das Land bislang "hervorragende Arbeit" von der Homecare erfahren habe. In Burbach seien die Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma das Problem gewesen. Und: Es habe auch Vorfälle in Einrichtungen gegeben, die von gemeinnützigen Vereinen betreut würden.

Wie viele Mitarbeiter werden in Sankt Augustin arbeiten?

Die European Homecare rechne derzeit damit, 25 Sozialbetreuer einzustellen, so Buchholz. Hinzu kommen das Sicherheitspersonal plus ein bis zwei Verwaltungsangestellte des Landes.

Wie steht es um die Sicherheit?

Auf jeweils 100 Flüchtlinge wird ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes kommen. Dabei zählt die maximal mögliche Belegung, in Sankt Augustin werden demnach acht Sicherheitsmitarbeiter eingestellt. Michael Bauermann von der zentralen Verbindungsstelle für Flüchtlingsangelegenheiten hatte zudem Statistiken zum Thema Sicherheit mitgebracht. So habe es im Juni in den 36 Unterbringungseinrichtungen, die das Land in NRW betreibt, 95 Polizeieinsätze gegeben. Das macht einen Einsatz pro 100 Flüchtlinge. Derzeit gebe es in Sankt Augustin 1,2 Einsätze pro 100 Bewohner. "Die Zahlen sind verschwindend gering", ergänzte Rainer Müller von der Polizei Rhein-Sieg.

Müssen sich Anwohner Sorgen wegen Krankheiten machen?

"Die Flüchtlinge sind sicherlich nicht in einem guten Zustand", sagte Steitz. Aber es gebe nur wenige ansteckende Krankheitsfälle. Lediglich von Windpocken seien die Einrichtungen oft betroffen. "Das lässt uns Einrichtungen auch mal unter Quarantäne setzen."

Können sich die Bürger Sankt Augustins einbringen?

Derzeit wird das Nutzungskonzept für das Gebäude erstellt. Laut Buchholz von der European Homecare können noch Anregungen einfließen. Die Bezirksregierung möchte zudem die Nachbarn im weiteren Prozess einbinden. Ehrenamtliche Helfer werden ebenfalls gesucht. Beim Infoabend lag bereits eine Liste aus, in die sich Interessierte eintragen konnten.

Kontakte

Infos zum Umbau: Bezirksregierung Köln, Bernd Magiera, Mail: bernd.magiera@brk.nrw.de, Tel. 0221/1473369

Infos zum Betrieb: European Homecare, Peter Buchholz, Mail: buchholz@eu-homecare.com, Tel. 0201/45136610

Allgemeine Infos: Stadt Sankt Augustin, Peter Tielke, Mail: peter.tielke@sankt-augustin.de, Tel. 02241/243333.

Sachspenden an die Nachbarschaftshilfe Rhein-Sieg, die Caritas Kleiderstube Ortsteil Menden und die Sankt Augustiner Tafel.

Zweiter Infoabend

Der Besucheransturm überstieg die Kapazitäten der Medienzentrale bei weitem. Deshalb wird es einen zweiten Infoabend am Mittwoch, 19. August, 19 Uhr, mit denselben Experten geben. Die Stadt Sankt Augustin bittet um Anmeldung per E-Mail an anmeldung-bi@sankt-augustin.de oder unter der Rufnummer 02241/243226 mit Angabe des Namens, der Anschrift, einer E-Mail-Adresse und der Personenzahl. Die Teilnehmer erhalten eine Bestätigung, mit der sie bei der Veranstaltung auf jeden Fall Einlass und einen Sitzplatz bekommen. Anmeldeschluss ist der 12. August. Der Ort wird noch bekanntgegeben, da er abhängig von der Anzahl der Anmeldungen ist.

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