Wanderausstellung in Königswinter Künstlergruppe AMorph präsentiert das Grundgesetz

Königswinter · Die Ausstellung stationierte schon in Bonn und in diversen Landtagen, jetzt ist sie im Palastweiher in Königswinter: In 144 Werken hat die Künstlergruppe AMorph die Artikel des Grundgesetzes verarbeitet.

Jedem Artikel des Grundgesetzes haben Künstler wie Stefan Türk je ein Werk gewidmet.

Jedem Artikel des Grundgesetzes haben Künstler wie Stefan Türk je ein Werk gewidmet.

Foto: Frank Homann

Ein ganzer Stapel angestaubter Aktenordner türmt sich auf einem schmucklosen Bürocontainer. Ganz oben auf dem Aktenordnerturm thront ein Karteikartenkästchen. Der Inhalt: ein Behördenquartett. Wer sich auf das Spielchen einlässt, kann noch etwas lernen – über die bundeseigene Verwaltung. Anderenfalls kann man auch in Artikel 86 des Grundgesetzes nachlesen, wie die deutsche Verwaltung auf Bundesebene funktioniert.

Die Arbeit von Vladislava Karmanova dürfte da allerdings anschaulicher und unterhaltsamer sein. Die Künstlerin ist eine von 96 Kunstschaffenden der Bonner Ateliergemeinschaft Kunstbrennerei und der Künstlergruppe AMorph, die das Grundgesetz zu Kunst gemacht haben – und zwar Artikel für Artikel, 144 an der Zahl. Zu sehen sind die Kunstwerke im Rahmen der Wanderausstellung „70 Jahre Grundgesetz“, die derzeit Station in Königswinter macht. Zuvor war sie bereits im Bonner Landgericht sowie in mehreren Landtagen zu Gast.

„Wir dachten uns, es passt doch gut, die Ausstellung im Rahmen des Königssommers nach Königswinter zu holen“, sagte Franka Perschen, Projektleiterin des Kreativ-Kontors-Königswinter, das vor Ort für die Organisation verantwortlich ist. Schließlich feiert nicht nur das Grundgesetz, das am 23. Mai 1949 in Bonn verkündet wurde, in diesem Jahr Jubiläum, sondern auch die Stadt Königswinter. „Der Bonner Raum und die Siebengebirgsregion sind ja seit jeher eng verknüpft“, sagte Perschen.

Die insgesamt 144 Kunstwerke im Kunstforum Palastweiher und im dort ansässigen Kunst-Kiosk unterzubringen, erwies sich allerdings als echte Herausforderung – auch wenn die Arbeiten nur jeweils 40 mal 40 Zentimeter groß sind. „Als der Laster alles abgeladen hatte, lag hier der ganze Boden voller Kunstwerke“, berichtete Perschen schmunzelnd. Zwei Tage lang waren Künstler und Helfer damit beschäftigt, alles an die Wand zu bringen und aufzustellen. „Am Ende hat es bis auf den letzten Zentimeter genau gepasst.“ Die Gleichförmigkeit der Kunstwerke übrigens hat einen guten Grund: Sie ist eine Anspielung auf die Gleichheit aller Menschen, die im Grundgesetz verankert ist.

Als Glücksfall erwies sich der Ausstellungsraum: Verbirgt sich die alte Holzvertäfelung mit ihren Regalen und Wandschränken bei Ausstellungen sonst meist hinter weißen Leinwänden, so passt das Ambiente diesmal zum Thema der Ausstellung. „Der Raum wirkt fast wie ein alter Gerichtssaal“, meinte Perschen. Sie selbst hat zwar nicht an dem Projekt mitgearbeitet – wie übrigens kein Künstler aus Königswinter oder Bad Honnef –, ist aber begeistert von dem, was sich ihre Kollegen haben einfallen lassen: „Es sind viele tolle Arbeiten dabei. Und das tollste ist, dass die Ausstellung so vielschichtig ist wie die Menschen, für die das Grundgesetz gemacht wurde.“

Christian Bender hat Artikel 73, der die Gebiete der für den Bund exklusiven Gesetzgebung auflistet, als Legohaus nachgebaut. So wohnt in einem Appartement beispielsweise der Zoll, in einem anderen das Postwesen und die Telekommunikation.

Welchen Artikel sie künstlerisch umsetzen sollten, konnten sich die Künstler übrigens nicht aussuchen: Es wurde gelost. Petra Zieriacks hat Artikel 114 erwischt, in dem es um Rechnungslegung und -prüfung geht. Ihr Rezept: Olivgrüne Gerechtigkeitsdragees beim Subventionsabbau einnehmen, pechschwarze Spartabletten gegen erhöhte Abrechnungssätze und goldgelbe Dragees für mehr Effizienz. Verordnet werden diese Allheilmittel vom Bundesrechnungshof. Und damit kein Ausstellungsbesucher auf die Idee kommt, zu naschen, sind die drei großen Pillengläser auch nur auf einem Foto zu sehen.

„Alle deutschen Kauffahrteischiffe bilden eine einheitliche Handelsflotte“, lautet Artikel 27 des Grundgesetzes – einer der Artikel, den die wenigsten kennen dürften. Auch Ernst Bitzegeia ging es da nicht anders. Er überlegte – und heraus kam eine spannende Collage, auf der die stürmische See zu sehen ist und darunter eine ganze Reihe Bote, die von in- und ausländischen Politikerköpfen gesteuert werden.

Alle 144 Arbeiten sind im Ausstellungskatalog abgelichtet, der auch im Kunstforum erhältlich ist. Mit ihm halte man das Grundgesetz sozusagen als Bilderbuch in den Händen, sagte Bitzegeia. So ganz korrekt haben es die Künstler mit der Bilderbuchausgabe unserer Verfassung allerdings nicht genommen: Auf dem Titelblatt ist nämlich ein großes Paragrafenzeichen zu sehen. „Dabei gibt es im Grundgesetz keinen einzigen Paragrafen, sondern nur Artikel“, wusste Bitzegeia. Aber das fällt dann wohl unter künstlerische Freiheit.

Die Ausstellung ist noch bis Sonntag, 25. August, im Kunstforum Palastweiher, Winzerstraße 7, zu sehen. Geöffnet ist samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr.

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