Zwei Wochen "Hafturlaub" mit Folgen

Ein Hahn des Bonner Uni-Versuchshofs "Wiesengut" besuchte die Hennen der JVA Siegburg und rettete seine Hühnerrasse vor dem Aussterben - Nebeneffekt: Häftlinge lernen soziales Verhalten

Bonn/Hennef. Manfred aus Hennef landete völlig unschuldig im Knast. Zwei Monate verbrachte er in der Justizvollzugsanstalt Siegburg. Dabei hatte er sich nichts zu Schulden kommen lassen.

Im Gegenteil. Ihn brachte auch kein Justizirrtum hinter Gitter, sondern seine Schönheit und Seltenheit wurden ihm zum "Verhängnis".

Bei Manfred handelt es sich um den stolzen Hahn des "Wiesengutes", eines in Hennef angesiedelten Versuchsbetriebs des Institutes für Organischen Landbau der Universität Bonn. Der Gockel gehört zu der alten, vom Aussterben bedrohten Hühnerrasse "Westfälische Totleger", deren Erhaltung sich das Institut unter anderem zum Ziel gemacht hat. Die JVA ist im Besitz von zehn Totleger-Hennen - was allerdings fehlte zum "Nachwuchs-Glück", war ein Hahn.

Einen solchen zu bekommen, war indes nicht einfach. Bundesweit bemühten sich die Verantwortlichen der JVA-"Arbeitstherapie Tiere", einen Hahn zu finden und zu kaufen. Die Lösung lag wesentlich näher als erwartet: bei der Bonner Uni.

Die Sache hatte allerdings immer noch einen Haken: Manfred war und ist dem Uni-Gut lieb und teuer und ob seiner Seltenheit daher absolut unverkäuflich. Nach kurzen Überlegungen aber konnte man sich einigen, Manfred leihweise an die JVA abzugeben. Der Gockel ging gewissermaßen in "Hafturlaub" - bloß umgekehrt, in den Knast hinein statt heraus.

Einen sehr erfolgreichen Hafturlaub obendrein, erläutert Frank Wetterich vom Institut für Organischen Landbau: "Die Westfälischen Totleger standen auf der Roten Liste der gefährdeten Haustierrassen. Das tun sie jetzt nicht mehr." Denn Hahn Manfred hat als Wohnungsgenosse der JVA-Hennen eine Nachkommenschaft von 80 Küken gezeugt, die nun als wertvolle Zuchttiere weitergegeben werden können.

Der "Hahn im Korb" - im wahrsten Wortsinn - war in Siegburg keineswegs hinter Gittern untergebracht. Ihm stand der für Bio-Geflügel vorgeschriebene Auslauf zur Verfügung, und man kümmerte sich rührend um ihn. "In der ''Arbeitstherapie Tiere'' werden die von der Sozialisation her ''schwierigen Fälle'' mit der Betreuung von Hühnern und Kaninchen betraut.

Ihre eigene Sozialisation ist so ziemlich fehlgeschlagen und ein selbstständiger Arbeitsprozess nicht möglich", erklärt Peter Stanek, der die "Projektgruppe Tiere" betreut, die arbeitstherapeutischen Interessen der JVA an der Zusammenarbeit. "Man merkt, wie die jugendlichen Straftäter im Laufe der pflegerischen Tätigkeit eine Beziehung zu den Tieren aufbauen.

Als Manfred wieder weg musste, waren einige wirklich traurig." Auch für das Wiesengut, so Frank Wetterich, ist eine weitere Zusammenarbeit durchaus vorstellbar. "Das war das erste gemeinsame Projekt, aber Fortsetzungen sind möglich."

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